Umfrage zur Identität und politischen Orientierung von Bitcoinern in den USA
Mit den Ergebnissen einer Umfrage von mehr als 3.500 US-amerikanischen Erwachsenen probiert The Nakamoto Project auf den polarisierten Diskurs rund um die politische Orientierung von Bitcoin-Haltern zu reagieren und eine Grundlage für die entsprechenden Bewertungen zu schaffen.
Die Studie stelle fest, dass Bitcoin-Besitzer in den USA zwar tendenziell jünger und männlich sind, sich jedoch von anderen US-Amerikanern politisch, demografisch und moralisch nicht großartig unterscheiden. Zudem ist auffällig, dass diejenigen, die sich intensiv mit Bitcoin auseinandergesetzt haben, meist eine positive Einstellung zu Bitcoin bilden und deshalb auch das Asset halten.
The Nakamoto Project
The Nakamoto Project hat sich das Ziel gesetzt, Bitcoin der Welt näherzubringen, indem Daten gesammelt werden, um eine Diskussionsgrundlage zu schaffen. Der Werbefachmann Colin Brown leitet das Projekt, das von dem Philosophen und Bitcoin-Aktivisten Troy Cross sowie dem Forscher Andrew Perkins unterstützt wird. Jedes Quartal soll ein Update der Daten erfolgen.
Um die wesentlichen Faktoren benennen zu können, die dazu führen, dass jemand Bitcoin besitzt und nutzt, hat Nakamoto Project in Kooperation mit dem Software- und Datensammlungsunternehmen Qualtrics zunächst insgesamt 3.538 Erwachsene – mehrheitlich Frauen – befragt, die so ausgewählt wurden, dass sie repräsentativ für die US-Bevölkerung sind.
Die Studienteilnehmer mussten Fragen zu Bitcoin und ihrer politischen Orientierung, ihren Werten und ihrer moralischen Positionierung beantworten. Die meisten Teilnehmer absolvierten die Umfrage im November 2023. Circa ein Siebtel wurde im März 2024 befragt, also nach der Einführung der Bitcoin-ETFs im Januar 2024.
Die Ergebnisse der Umfrage sind nun in dem Bericht „Understanding Bitcoin Adoption in the United States: Politics, Demographics, & Sentiment“ erschienen.
Demografie
Aus der Umfrage geht hervor, dass US-amerikanische Bitcoin-Halter eine vielfältige Gruppe sind. Bezüglich Ethnie, Religion, Beziehungsstatus, Einkommen, Bildung und Finanzwissen gibt es laut den Daten keine bedeutenden Unterschiede zwischen Bitcoinern und Nicht-Bitcoinern.
Demografisch gesehen ähneln sich die beiden Gruppen in den meisten Punkten, aber sie unterscheiden sich in Bezug auf Alter und Geschlecht: Bitcoin-Besitzer sind tendenziell jünger und männlich.
Auszug aus dem Bericht
Zu den Bitcoin-Besitzern zählen zum Beispiel 40,5 Prozent der 31- bis 35-jährigen Männer sowie 35,9 Prozent der 41- bis 45-jährigen Männer, während es bei den 41- bis 45-jährigen Frauen lediglich 13,4 Prozent sind.
Politische Einstellung
Da Bitcoin in den vergangenen Jahren nicht nur in den USA zunehmend von der politischen Linken kritisiert und oft von der politischen Rechten verteidigt wurde, ist der Eindruck entstanden, dass Bitcoin ein rechtes Phänomen sei. Demnach haben Cross und Perkins eigentlich erwartet, dass eher Republikaner und sich selbst als konservativ bezeichnende Menschen Bitcoin besitzen würden. Die Antworten auf die spezifischen Fragen zur politischen Orientierung in der Umfrage zeigen jedoch, „dass der Besitz von Bitcoin nicht mit der politischen Identität zusammenhängt“.
US-Bitcoiner sind im gesamten politischen Spektrum zu finden und ordnen sich selbst meist in der Mitte ein. Der einzige, nicht bedeutende Unterschied zwischen Bitcoin-Besitzern und Nicht-Besitzern ist das Ausmaß bei den extremen Ansichten: So bezeichnen sich 14 Prozent der Bitcoiner als „sehr liberal“ und 10,3 Prozent als „sehr konservativ“, während bei den Nicht-Bitcoinern dies nur 8,3 respektive 8 Prozent tun. Auch die Bezeichnung „libertär“ trifft laut der Studie nur auf 3 Prozent der US-amerikanischen Bitcoin-Besitzer zu.
Zudem wurde untersucht, ob bestimmte politische Gruppen häufiger Bitcoin besitzen als andere. Dabei wurde überraschenderweise festgestellt, dass 21,9 Prozent der Befragten, die sich als „sehr liberal“ eingestuft haben, Bitcoin besitzen; gefolgt von 17,6 Prozent der „sehr konservativen“ und 14,3 Prozent der „neutralen“ Befragten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Diskurs unter Politikern, Medieneliten und Nutzern sozialer Medien, der den Bitcoin-Besitz politisiert, höchst irreführend ist. Die Verteilung der Bitcoin-besitzenden Amerikaner über die politischen Kategorien sieht sehr ähnlich aus wie die politische Verteilung aller Amerikaner über diese Kategorien. Bitcoin-Besitz ist unpolitisch.
Auszug aus dem Bericht
Moralische Grundlagen
Ein weiterer Abschnitt in der Umfrage sollte die Frage beantworten, ob Bitcoiner bezüglich ihrer moralischen Grundlagen eher in das Lager der Liberalen oder Konservativen einzuordnen sind. Dazu richtet sich die Umfrage nach der Moral Foundations Theory, die bestimmte Attribute gegenüberstellt, wie Fürsorge/Schaden, Gleichheit/Verhältnismäßigkeit, Loyalität/Verrat, Autorität/Unterwerfung, Unantastbarkeit/Degradierung und Freiheit/Unterdrückung.
Die Autoren stellen fest, dass es zwar die typischen Unterschiede zwischen liberalen und konservativen Ansichten gibt, doch diese Unterschiede nicht sehr groß sind. Auch Bitcoin-Besitzer würden weitgehend dem Rest der US-Bevölkerung ähneln, obwohl sie laut den Ergebnissen ein einzigartiges Profil aufweisen: Kulturelle Freiheit und Gleichheit haben für sie einen höheren Stellenwert als für Konservative oder Liberale; ansonsten übereinstimmen die Bitcoiner meist mit den konservativen (Unantastbarkeit, Loyalität, Verhältnismäßigkeit) oder liberalen (Fürsorge) Ansichten oder liegen dazwischen (wirtschaftliche Freiheit und Unterdrückung), sodass die Bitcoiner eine gute Mischung aus beiden politischen Richtungen vertreten.
Die Bitcoin-Besitzer in den USA
Die Umfrage verdeutlicht, dass demografische Daten sowie die politischen und moralischen Einstellungen nicht wirklich etwas mit dem Bitcoin-Besitz zu tun haben.
Aus einem weiteren Abschnitt der Umfrage, in dem die Teilnehmer zu ihrer Meinung zu Bitcoin (Wissen, Vertrauen, Glauben, Moral) befragt wurden, geht jedoch hervor, dass dies ein entscheidender Unterschied zwischen Bitcoinern und Nicht-Bitcoinern ist.
Diejenigen, die sich intensiv mit Bitcoin auseinandersetzen, der Technologie vertrauen, an den Nutzen von Bitcoin für die Gesellschaft glauben und es als moralisch gut empfinden, sind eher Bitcoin-Besitzer als Nicht-Besitzer.
Während Nicht-Bitcoin-Besitzer aller politischen Richtungen dazu neigten, jeden dieser Faktoren leicht negativ zu bewerten, tendierten Bitcoin-Besitzer dazu, alle Faktoren stark positiv zu bewerten.
Auszug aus dem Bericht
Die Antworten der Nicht-Bitcoiner – egal ob konservativ oder liberal – in Bezug auf Vertrauen und Moral hinsichtlich Bitcoin fallen hauptsächlich negativ aus, was einen starken Kontrast zu den Bitcoinern darstellt.
Anstatt demografischer, politischer und moralischer Aspekte ist es also vielmehr die Meinung zu Bitcoin, die Bitcoiner von Nicht-Bitcoinern unterscheidet.
Die Variablen, die bei weitem am stärksten mit dem Besitz von Bitcoin korrelierten, waren: Wissen über Bitcoin, Glaube an den Nutzen von Bitcoin, Vertrauen in das Bitcoin-Protokoll und den Vermögenswert sowie die wahrgenommene Moral von Bitcoin.
Auszug aus dem Bericht
Die Autoren probieren dies damit zu erklären, dass man mit einem ausgeprägten Wissen über Bitcoin auch mehr Vertrauen in das Protokoll hat und dies den Glauben an den Nutzen und das soziale Potenzial von Bitcoin stärkt. Dadurch dürften die Menschen motiviert sein, Bitcoin zu kaufen. Eine andere aufgeführte Möglichkeit besteht darin, dass die Menschen Bitcoin zunächst als Investition betrachten oder zum Zahlen genutzt haben und erst dann mehr darüber erfahren wollten, wodurch das Vertrauen und der Glauben gefördert wurden. Obwohl keine Beweise für diese Erklärungen vorliegen, glauben die Autoren an deren Gültigkeit.
Fazit
Die letzten Erläuterungen der Autoren zu den bedeutenden Unterschieden von Bitcoinern und Nicht-Bitcoinern sind gut nachvollziehbar und auch logisch. Es gibt schließlich nur selten jemanden, der sich intensiv mit Bitcoin beschäftigt, es wirklich verstanden hat und dann zum Schluss kommt, dass es moralisch verwerflich sei.
Viel interessanter ist jedoch die Tatsache, dass mit dieser Umfrage erstmals eine solide Grundlage für die Analyse der Akzeptanz von Bitcoin in der US-amerikanischen Bevölkerung geschaffen wurde. Dabei haben die Autoren erstmals mit Daten belegt, dass es keine signifikanten Unterschiede zwischen Bitcoinern und Nicht-Bitcoinern bezüglich demografischer, politischer und moralischer Aspekte gibt. Bitcoiner sind nicht alle Extremisten, die den Staat abschaffen wollen, sondern decken das ganze politische Spektrum ab, wobei die meisten eher gemäßigt sind. Ebenso sind der Bildungsgrad und der soziale Status keine eindeutigen Prädiktoren für den Besitz von Bitcoin.
Es gibt jedoch eine Tendenz, dass diejenigen, die bezüglich Bitcoin sehr positiv eingestellt und gut informiert sind und Bitcoin besitzen, mehrheitlich jung und männlich sind. Demnach zeigen die Daten, dass die weitere Bitcoin-Adoption noch daran scheitert, Frauen und ältere Menschen zu erreichen.
Nichtsdestotrotz ist es natürlich fraglich, ob die Umfrage wirklich repräsentativ ist, da sich viele Bitcoiner sehr bedeckt halten und ihren Besitz womöglich nicht offen kommunizieren. Auch die Übertragbarkeit auf andere Länder kann infrage gestellt werden. In dem Bericht wird bereits erwähnt, dass es andere Studien gibt, die zum Beispiel das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern in anderen Ländern nicht bestätigen.
Es ist jedoch zu bemängeln, dass nicht alle Werte in der Studie angegeben wurden und die Rohdaten nicht zugänglich sind. Zudem sind die Menschen hinter dem Nakamoto Project nicht gerade unvoreingenommen. Cross, Perkins und Brown wollen womöglich positiv über Bitcoin berichten und betreiben entsprechendes Marketing beziehungsweise Lobbyarbeit.
Ungeachtet dessen kann das Projekt einen Mehrwert bieten, indem es kontinuierlich weitere Daten als Diskursgrundlage liefert und die Bitcoin-Bildung vorantreibt. Es bleibt abzuwarten, ob ähnliche Umfragen in Deutschland auch den Diskurs hierzulande verbessern können.