Die Bedeutung des Ratings für Strategy
Das Unternehmen Strategy (ehemals MicroStrategy) investiert seit August 2020 in Bitcoin. Dabei bediente sich das Business-Intelligence-Softwareunternehmen mit der Zeit auch verstärkt der Kapitalmärkte. Neben der Ausgabe von Aktien setzte die Aktiengesellschaft auch auf die Emission von Wandelanleihen und Vorzugsaktien, die in die Kategorie des Fremdkapitals fallen. Strategy hat sich inzwischen zum Ziel gesetzt, der führende Emittent von Bitcoin-gedeckten Kreditinstrumenten zu sein.
Um Fremdkapital zu guten Konditionen aufnehmen zu können, ist es hilfreich, ein Kredit-Rating der großen Rating-Agenturen („Big Three“) zu haben. Das sind Moody's, S&P und Fitch. In der Präsentation zu den Zahlen für das erste Quartal 2025 bat Michael Saylor, Gründer und „Executive Chairman“ von Strategy, die Aktionäre entsprechend darum, die „Big-Three-Rating-Agenturen“ aufzufordern, die festverzinslichen Wertpapiere des Unternehmens zu bewerten.
Anleger sollten sich an Moody's, S&P und Fitch sowie an andere Rating-Agenturen wenden und sie auffordern, MSTR-Kreditinstrumente zu behandeln und zu bewerten. Von BTC-gestützten Kreditratings würden alle profitieren.
Michael Saylor
Klassische Großanleger wie Pensionsfonds, Versicherungen oder Banken, kaufen oft nur festverzinsliche Wertpapiere, wenn das Unternehmen dahinter ein Rating erhalten hat. Das liegt nicht nur daran, dass sie der Einschätzung einer großen Rating-Agentur vertrauen wollen, sondern auch an den eigenen Regeln. Zum Beispiel kann es so sein, dass ein Kreditfonds nur in Anleihen ab einem bestimmten Rating investieren darf.
Ein Kredit-Rating der „Big Three“ macht die festverzinslichen Wertpapiere eines Unternehmens demnach für viele institutionelle Anleger überhaupt erst sichtbar beziehungsweise zugänglich. Auch wenn das Kredit-Rating „B–“ bedeutet, dass Strategys Kreditinstrumente von S&P eher als riskant eingeordnet werden, begünstigt dies wohl die Kapitalflüsse in die neuen Vorzugsaktien, die Strategy kontinuierlich emittiert, um weitere Bitcoin zu kaufen.
Michael Saylor unterstrich die Relevanz des Ratings, indem er in dem Post zu der Meldung vom „ersten Rating einer Bitcoin Treasury Company durch eine große Rating-Agentur“ sprach. Bei einem Auftritt erklärte Saylor wenig später zudem, dass durch das S&P-Rating jetzt rund dreimal so viel Kapital Zugang zu Strategys Kreditinstrumenten hat.
Wir haben nachgerechnet, und es gibt etwa 600 Milliarden US-Dollar, die unbewertete Kreditinstrumente kaufen können – und das verdreifacht sich in etwa durch dieses Rating.
Michael Saylor
„B– mit stabilem Ausblick”
S&P fasst das Geschäftsmodell von Strategy, über das in der traditionellen Finanzwelt kontrovers diskutiert wird, wie folgt treffend zusammen:
Strategy Inc (ehemals MicroStrategy Incorporated) ist eine Bitcoin Treasury Company, die Erlöse aus der Ausgabe von Eigenkapital- und Fremdkapital nutzt, um Bitcoin in ihrer Bilanz zu akkumulieren. Die Wertpapiere des Unternehmens bieten Anlegern unterschiedliche Grade an Bitcoin-Engagements über die gesamte Kapitalstruktur hinweg. Das Unternehmen verfügt außerdem über einen relativ kleinen Softwarebereich, der KI-gestützte Unternehmensanalysen anbietet.
S&P
Obwohl es Nachahmer der Bitcoin-Strategie gibt, sei Strategy aufgrund der schieren Größe einzigartig. Und auch wenn der zunehmende Wettbewerb Kapital zu anderen Unternehmen fließen lassen könnte, profitiere der „First Mover“ voraussichtlich durch die dadurch entstehende größere Nachfrage nach BTC, so S&P weiter.
Die Strategie ist zwar öffentlich und leicht nachzubilden, doch das Unternehmen ist in seiner Größe einzigartig, und Anleger haben einfachen Zugang zu Investitionen in die Wandelanleihen, Vorzugsaktien und Stammaktien. Eine Nachahmung dieser Strategie würde wahrscheinlich Druck auf die Bewertungskennzahlen der Wertpapiere des Unternehmens ausüben, aber eine höhere Bitcoin-Nachfrage durch neue Marktteilnehmer würde wahrscheinlich auch den Bitcoin-Wert beflügeln.
S&P
Da es bei dem Kredit-Rating aber in erster Linie darum geht, wie sicher es ist, dass ein Unternehmen seine Verbindlichkeiten bedienen beziehungsweise die Schulden tilgen kann, widmet sich S&P ausführlich den Risiken der Bitcoin-Strategie des Unternehmens. Die Probleme, die S&P sieht, sind die Folgenden:
- das Softwaregeschäft erwirtschaftet kaum Gewinne, während der operative Cashflow im ersten Halbjahr 2025 negativ war
- die Schuldenfälligkeit ist in US-Dollar, während die Bilanz primär aus BTC besteht
- bei Bitcoin bestehen regulatorische Risiken, die das Geschäftsmodell gefährden können
- die Bitcoin-Bilanz ist dem Risiko von Hacking-Angriffen ausgesetzt
- abzüglich der gehaltenen Bitcoin hat Strategy negatives Eigenkapital
Wenn Strategy die eigenen Kreditinstrumente bewirbt, verweist das Unternehmen vor allem auf die Tatsache, dass der Wert der gehaltenen Bitcoin einem Vielfachen der ausstehenden Verbindlichkeiten entspricht. Momentan hält das Unternehmen rund 73 Milliarden US-Dollar in BTC, während nur etwas mehr als 8 Milliarden US-Dollar an Wandelanleihen ausstehen und Vorzugsaktien im Wert von circa 6,6 Milliarden US-Dollar im Umlauf sind. Die „Schuldenquote“ von Strategy beträgt somit circa 20 Prozent, auch wenn es hierbei zu berücksichtigen gilt, dass die Vorzugsaktien keinen Tilgungszeitpunkt haben, dafür aber Dividenden anfallen.
S&P rechnet den Wert der Bitcoin bei der Betrachtung des Eigenkapitals hingegen heraus, was in der Bitcoin-Community für Unverständnis sorgte. Jeff Park, Berater des Vermögensverwalters Bitwise Invest, bezeichnete es als „komplett unlogisch“ und verwies in dem Kontext unter anderem auf die hohe Liquidität von BTC. Nichtsdestotrotz erkennt S&P, dass die Bitcoin-Bilanz einem Vielfachen der jährlich anfallenden Dividenden für die Vorzugsaktien und Zinsen für die Wandelanleihen entspricht.
Die Dividenden, die auf die Vorzugsaktien des Unternehmens zu zahlen sind, sind im Vergleich zum aktuellen Marktwert der Bitcoin-Bestände des Unternehmens sehr gering.
S&P
Stand jetzt muss Strategy jährlich rund 700 Millionen US-Dollar für Dividenden und Zinsen bezahlen. Das bedeutet: Die Bitcoin-Bilanz würde theoretisch für 100 Jahre solcher Zahlungsverpflichtungen ausreichen – bei gleichbleibendem Bitcoin-Kurs und wenn Strategy keine weiteren Vorzugsaktien mehr emittiert, wovon nicht auszugehen ist.
Strategys Ziel ist jedoch, die Bitcoin niemals zu verkaufen und die Verbindlichkeiten durch die Emission neuer Stammaktien oder die Aufnahme von Fremdkapital zu zahlen. Dafür ist wichtig, dass die Aktiengesellschaft Zugang zu den Kapitalmärkten hat. S&P sieht es als Schwäche, dass Strategy keine BTC verkaufen möchte – insbesondere weil dies dazu führen könne, dass Strategy dann zum Verkauf gezwungen sein könnte, wenn die Marktbedingungen schwierig sind beziehungsweise BTC niedrig handelt.
Wir betrachten dies als Schwäche, insbesondere da das Unternehmen zögert, die als Investitionen gehaltenen Bitcoins zu verkaufen. Unserer Ansicht nach erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen, wenn es als letztes Mittel Bitcoins verkaufen muss, um liquide Mittel zu generieren, dies wahrscheinlich zu stark gedrückten Preisen tun wird.
S&P
Die Rating-Agentur geht in der Konklusion letztlich aber davon aus, dass es dem Unternehmen wohl vorerst weiterhin gelingen wird, frisches Kapital aufzunehmen und die Verbindlichkeiten verantwortungsvoll zu managen. Daher auch der „stabile Ausblick“.
Wir haben Strategy unser Emittentenrating „B–“ zugewiesen. Der stabile Ausblick spiegelt unsere Erwartung wider, dass Strategy die Fälligkeiten seiner Wandelanleihen weiterhin umsichtig verwalten wird. Wir gehen auch davon aus, dass das Unternehmen die Zahlungen für seine Wandelanleihen und Vorzugsaktien-Dividenden weiterhin durch die Ausgabe von Anleihen, Vorzugsaktien und Aktien finanzieren und dabei einen ausreichenden Zugang zu den Kapitalmärkten aufrechterhalten wird.
S&P
S&P hebt noch positiv hervor, dass die Wandelanleihen – das sind Schuldpapiere, die bei guter Aktienkursentwicklung in Stammaktien umgewandelt werden können – nicht in den nächsten 12 Monaten fällig werden. Außerdem betont die Rating-Agentur, dass Strategy das Geschäftsmodell primär durch Eigenkapital finanziert, also durch die Ausgabe neuer Stammaktien, womit keine Verbindlichkeiten einhergehen. Zusammenfassend heißt es wie folgt:
Wir betrachten die hohe Bitcoin-Konzentration, den engen Geschäftsfokus, die schwache risikobereinigte Kapitalausstattung und die geringe US-Dollar-Liquidität von Strategy als Schwächen. Diese werden nur teilweise durch den guten Zugang des Unternehmens zu den Kapitalmärkten und das umsichtige Management der Kapitalstruktur ausgeglichen, einschließlich der Vermeidung von Fälligkeiten in den nächsten 12 Monaten und der Finanzierung des Geschäfts hauptsächlich mit Eigenkapital.
S&P
Laut der „Big-Three-Rating-Agentur“ wäre zu begrüßen, wenn sich das Unternehmen von der Kapitalaufnahme durch Wandelanleihen verabschiedet. Strategy kommunizierte bereits, dass der Plan sei, diese Form der Schulden gänzlich von der Bilanz zu tilgen. Momentan handelt die MSTR-Aktie bei einem Niveau, durch das rund 3 Milliarden der über 8 Milliarden US-Dollar an Wandelanleihen voraussichtlich in Stammaktien umgewandelt werden. Die Fälligkeit der Wertpapiere liegt zwischen dem Jahr 2028 und 2032.
Wenn Strategy die Nutzung von Wandelanleihen reduziert, mehr US-Dollar-Liquidität aufbaut und demonstriert, auch in schlechten Marktphasen weiterhin Kapital aufnehmen zu können, wäre S&P bereit, das Rating anzuheben. Sollte hingegen der Zugang zu den Kapitalmärkten schwieriger werden und sich anbahnen, dass die Wandelanleihen das Unternehmen vor Probleme stellen, würde das Kredit-Rating entsprechend gesenkt werden, so S&P.
Riskantes Geschäftsmodell mit Potenzial
Wie die Einschätzung von S&P unterstreicht, gibt es bei dem Geschäftsmodell von Strategy mehrere Risiken. Wie wahrscheinlich es ist, dass diese eintreten, hängt nicht nur von der Entwicklung des Bitcoin-Kurses, sondern selbstverständlich auch von dem Erfolg der Strategie des Unternehmens beziehungsweise dem Zugang zu den Kapitalmärkten ab.
Bei Kredit-Ratings liegt der Fokus in erster Linie auf dem Cashflow eines Unternehmens. Da dieser bei Strategy im Großen und Ganzen fehlt, war absehbar, dass es kein „Investment Grade“ geben wird. „B–“ liegt im spekulativen Bereich („Junk“), weil S&P Strategy nun mal als anfällig einordnet, wenn sich das Marktumfeld – etwa der Bitcoin-Preis oder der Kapitalmarktzugang – deutlich verschlechtert.
Strategys Kredit-Rating ist damit schlechter als das aller Unternehmen im Aktienindex S&P 500 und damit in einer Liga von Unternehmen, die in etwa mehr Schulden als Eigenkapital und kaum Cashflow haben. Auf diesen Umstand machte unter anderem Joe Burnett, Direktor der Bitcoin-Strategie bei Semler Scientific, in einem Post auf 𝕏 aufmerksam.
Zwei Unternehmen haben von einer großen Rating-Agentur die gleiche Bewertung B– erhalten, doch das eine versinkt in Schulden, die durch wertmindernde Flugzeuge besichert sind, während das andere über Bitcoin im Wert von 72 Milliarden US-Dollar verfügt, die härteste und liquideste Sicherheit, die die Menschheit je entdeckt hat.
Das Rating B– von JetBlue spiegelt einen fragilen Billigfluganbieter mit fast 9 Milliarden US-Dollar Schulden, nur 2 bis 3 Milliarden US-Dollar Eigenkapital und praktisch keinem freien Cashflow wider. Die Vermögenswerte sind Flugzeuge, Hallen und ein Treueprogramm, die alle illiquide sind und von Treibstoffpreisen, Arbeitskosten und Verbrauchernachfrage abhängig sind. […]
Strategy hingegen hält 72 Milliarden US-Dollar in Bitcoin, 8 Milliarden US-Dollar in langfristigen Wandelanleihen und 7 Milliarden US-Dollar in Vorzugsaktien. Das Unternehmen ist massiv überbesichert mit einem Vermögenswert, der weltweit gehandelt wird, bei dem Transaktionen innerhalb von Minuten abgewickelt werden und kein Kontrahentenrisiko vorhanden ist. […] Es könnte einen Bruchteil seiner Bitcoin-Bestände liquidieren und morgen alle Verbindlichkeiten zurückzahlen. Dennoch haben beide Unternehmen das gleiche Kredit-Rating.
Joe Burnett
S&P würdigt Strategys Bitcoin-Bilanz anscheinend nicht ausreichend und würde sogar BTC-Verkäufe begrüßen – obwohl die Kryptowährung in der traditionellen Finanzwelt immer weiter an Legitimität gewinnt. Die Tatsache, dass Strategy auf einen gegenüber dem US-Dollar steigenden Bitcoin-Kurs setzt, bezeichnet S&P sogar leicht despektierlich als „Währungs-Mismatch“. Letztlich ist aber genau das die Strategie, die sich in den vergangenen Jahren als äußerst erfolgreich erwiesen hat und – so die Annahme von Saylor und anderen Bitcoin-Befürwortern – wohl auch in Zukunft noch aufgehen wird.
Die Strategie führt auch zu einem inhärenten Währungs-Mismatch: Das Unternehmen hält eine Long-Position in Bitcoin und eine Short-Position im US-Dollar.
S&P
Die Rating-Agentur sieht für diese Strategie aber nicht nur das Risiko eines fallenden Bitcoin-Kurses, sondern auch die Möglichkeit, dass Coins von Strategy abhandenkommen. Dies dürfte einen Teil der Skepsis von S&P gegenüber den Bitcoin auf der Bilanz erklären.
Wenn private Schlüssel für die Wallets verloren gehen, gestohlen oder zerstört werden, kann das Unternehmen möglicherweise zumindest auf einen Teil seiner Bitcoins nicht mehr zugreifen. Strategy mindert dieses Risiko teilweise, indem Bitcoins bei mehreren institutionellen Verwahrern mit Sitz in den USA gehalten werden, obwohl die Bitcoin-Bestände manchmal bei einem einzigen Verwahrer konzentriert sein können. Zum 31. Dezember 2024 gab das Unternehmen bekannt, dass die Versicherung, die die Verluste der Bitcoin abdeckt, nur einen kleinen Teil des Wertes seiner gesamten Bestände abdeckt. Das Unternehmen handelt jedoch in seinen Verwahrungsverträgen Haftungsbestimmungen aus, wonach die Verwahrstellen für das Versagen, die Bitcoin nicht sicher zu verwahren, haftbar gemacht werden können.
S&P
Unter dem Strich sind Bitcoin Treasury Companies ein neues Phänomen, das die traditionelle Finanzwelt auf den Kopf stellt. Dies wird unter anderem dadurch deutlich, wie stark die Meinungen über eine angemessene Bewertung solcher Unternehmen auseinandergehen.
Für Unternehmen wie Strategy ist es letztlich von großer Relevanz, dass sie ein Rating erhalten und Anleger für das Geschäftsmodell sensibilisiert werden. Das Rating von S&P, das bescheiden ausfällt, ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Ob weitere Rating-Agenturen nachziehen und zu welchem Ergebnis sie kommen werden, muss die Zukunft zeigen.
Ein weiterer potenzieller Katalysator, der für Strategy noch bevorstehen könnte, wäre die Inklusion in den Aktienindex S&P 500, die Kapitalzuflüsse in die MSTR-Aktie durch die auf diesem Index basierenden ETFs bedeuten würde. Obwohl das Unternehmen alle Anforderungen erfüllt, gab es vorerst eine Abfuhr des Indexkomitees von S&P Dow Jones Indices.
Bitwise-Berater Jeff Park fühlt sich nach dem S&P-Kredit-Rating in seiner Annahme bestärkt, dass noch einiges an Zeit vergehen muss, bis Strategy in diesen relevanten Aktienindex aufgenommen wird.
Letztendlich bestätigt dies, was ich bereits zuvor gesagt habe: Es wird noch lange dauern, bis MSTR in den S&P 500 aufgenommen wird.
Jeff Park auf 𝕏