SPD-Flügel fordert Abschaffung der Haltefrist bei Krypto
SPD und die Abschaffung der Haltefrist
Der Seeheimer Kreis ist eine Arbeitsgemeinschaft von Abgeordneten, die innerhalb der Bundestagsfraktion der SPD für eine „moderne und pragmatische Politik auf der Höhe der Zeit stehen“ – so lautet die Selbstbeschreibung.
Der realpolitisch orientierte Zusammenschluss gilt – verglichen mit der Parlamentarischen Linken und dem Netzwerk Berlin – als die konservativere Strömung innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion. Mit 94 Mitgliedern stellt der Seeheimer Kreis den größten organisierten Flügel der Fraktion dar.
Ende März dieses Jahres ging bereits aus den Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU hervor, dass die SPD die Haltefrist bei Bitcoin- und Krypto-Gewinnen abschaffen möchte. In den Koalitionsvertrag hat es diese Position letztlich nicht geschafft. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass der einflussreiche Flügel Seeheimer Kreis das Thema noch auf der Agenda hat.
Strategiepapier des Seeheimer Kreises
Die SPD-Abgeordneten Parsa Marvi und Philipp Rottwilm haben für den Seeheimer Kreis ein Strategiepapier mit dem Titel „Gerechtigkeit schafft Stärke – Leitplanken für die Finanzpolitik von morgen“ vorgelegt.
Die zentralen Forderungen: Steuerprivilegien für große Unternehmensvermögen abschaffen oder deutlich einschränken und eine progressive Erbschaftsteuer einführen, um der Vermögensungleichheit in Deutschland etwas entgegenzusetzen.
Der SPD-Flügel möchte die zentralen Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umsetzen und „Leitplanken für die Finanzpolitik von morgen“ entwickeln. Im Zuge dessen sollen auch Bitcoin- und Krypto-Investoren stärker zur Kasse gebeten werden:
Zu diesen Leitplanken zählen eine Eindämmung von steuerfreien Haltefristen, wie diese beispielsweise bei Kryptowährungen und Immobiliengeschäften gewährt werden, eine wahrhaftige, progressive Erbschaft- und Schenkungsteuer, die Leistungsgerechtigkeit und Fairness in den Mittelpunkt stellt, die Reform der privaten Altersvorsorge sowie die konkrete Ausgestaltung des Deutschlandfonds, um strategische Zukunftsinvestitionen gezielt möglich zu machen.
Aus dem Strategiepapier
Der Journalist Daniel D. Eckert (@Tiefseher auf 𝕏) macht als Erstes auf die Krypto-bezogenen Passagen im Strategiepapier des Seeheimer Kreises aufmerksam.
Digitaler Euro und Kryptowährungen
Dem Thema Kryptowährungen beziehungsweise digitale Zahlungsmittel widmen die Autoren des 11-seitigen Strategiepapiers sogar einen eigenen Unterpunkt mit der Überschrift „Digitale Zahlungsmittel: Chancen nutzen, Risiken erkennen“.
Dabei gibt es zuerst eine Lobeshymne auf den geplanten Digitalen Euro. Im Angesicht der Tatsache, dass US-amerikanische Zahlungsdienstleister wie PayPal den europäischen Markt dominieren, begrüßt der Seeheimer Kreis die Pläne der Europäischen Zentralbank zur Einführung des Digitalen Euros.
Der Digitale Euro bietet Europa die Chance, ein sicheres, transparentes und souveränes digitales Zahlungsmittel zu etablieren – eines, das den Bürger:innen dient und das bestehende Bargeldsystem sinnvoll ergänzt.
Aus dem Strategiepapier
Der Digitale Euro stärke die europäische Souveränität und sichere die Datenhoheit der Bürger, heißt es weiter. Befürchtungen, der Digitale Euro diene der Abschaffung von Bargeld, seien indes unbegründet, ist sich der Seeheimer Kreis sicher.
Der Digitale Euro ist dabei kein spekulatives Finanzprodukt und keine Kryptowährung, sondern ein staatlich reguliertes, verlässliches digitales Zahlungsmittel.
Aus dem Strategiepapier
Kryptowährungen wie Bitcoin scheinen den SPD-Bundestagsabgeordneten derweil ein Dorn im Auge zu sein. Diese seien nämlich nicht nur spekulativ und wenig reguliert, sondern auch potenziell gefährlich für Verbraucher und das gesamte Finanzsystem.
Im Gegensatz dazu sind Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum private, hochspekulative Vermögenswerte. Sie unterliegen einer geringeren Regulierung, weisen starke Kursvolatilität auf und bergen Risiken für Verbraucher:innen sowie für die Stabilität des Finanzsystems.
Aus dem Strategiepapier
Haltefrist abschaffen und klare Regulierung
Vor diesem Hintergrund tritt der Seeheimer Kreis für eine Förderung des Digitalen Euros und eine klare Regulierung von Kryptowährungen ein.
Während der Digitale Euro die europäische Souveränität stärken soll, sei das Ziel der geforderten Krypto-Regulierung, unter anderem spekulative Risiken und Finanzkriminalität einzudämmen.
Zusätzlich fordert der Seeheimer Kreis die Abschaffung der einjährigen Haltefrist, nach der Gewinne mit Kryptowährungen derzeit in Deutschland noch steuerfrei sind.
Um spekulative Risiken, Verbraucherschäden, Finanzkriminalität und potenzielle Gefährdungen für die Finanzstabilität zu begrenzen, bedarf es einer klaren Regulierung digitaler Vermögenswerte. Dazu gehört auch, die derzeitige steuerfreie Haltefrist von einem Jahr für Kryptowährungen aufzuheben. Künftig sollen Veräußerungsgewinne unabhängig von der Haltedauer einheitlich besteuert werden. So gilt ein einfaches und gerechtes Prinzip: Einkommen ist Einkommen – unabhängig davon, ob es aus Aktien, Krypto oder Immobilien stamm.
Aus dem Strategiepapier
Auch der Verbraucherschutz soll gestärkt werden, sodass Verbraucher „fundierte Entscheidungen im Bereich der digitalen Zahlungsmittel und Kryptowährungen treffen können“.
Haltefrist auf wackeligen Beinen?
Schon vor diesem Strategiepapier war klar, dass die Bundestagsfraktion der Regierungspartei mit der Abschaffung der Haltefrist liebäugelt. Auch wenn sich diese Position nicht im Koalitionsvertrag wiederfindet, war es nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder zum Thema gemacht wird. Das Ziel dürfte sein, dass bei Kryptowährungen – wie auch bei Aktien und Anleihen – die Kapitalertragsteuer inklusive Solidaritätszuschlag greift, sodass Gewinne immer mit 26,375 Prozent besteuert werden müssen.
Obwohl Kryptowährungen bei der steuerlichen Behandlung momentan in dieselbe Kategorie wie Edelmetalle fallen, deren Kursgewinne ebenfalls nach einem Jahr Haltedauer steuerfrei sind, finden Gold und Silber in diesem Kontext keinerlei Erwähnung. Dies lässt darauf schließen, dass die Politiker der Partei, die bei der letzten Bundestagswahl das schlechteste Ergebnis seit 138 Jahren eingefahren hat, es insbesondere auf Bitcoin und Co. abgesehen haben.
Das Strategiepapier ist vorerst jedoch nur als Diskussionsgrundlage für Debatten innerhalb der schwarz-roten Koalition zu werten. Es dürfte spannend zu beobachten sein, ob sich die CDU/CSU-Fraktion in dieser Legislaturperiode noch für diese Idee begeistern lassen wird.
In der Kanzlerpartei gibt es Befürworter von Bitcoin wie den Bundestagsabgeordneten Marvin Schulz, der kürzlich die Schaffung einer strategischen Bitcoin-Reserve gefordert hat. Dennoch gab es im Sommer 2024 auch einen Bitcoin-feindlichen Gesetzvorschlag der CDU/CSU-Fraktion, der im Finanzausschuss abgelehnt wurde.
Während auch bei einer Bundestagsanhörung der Partei Die Linke die Abschaffung der Haltefrist für Krypto-Gewinne gefordert wurde, ist die AfD die einzige relevante Partei, die sich ganz klar für einen wohlwollenden Umgang mit Bitcoin ausspricht.
Die Bundestagsfraktion der größten Oppositionspartei reichte vor wenigen Tagen einen Antrag ein, in dem sie die Bundesregierung unter anderem dazu auffordert, die Steuerfreiheit nach einem Jahr Haltedauer bei Bitcoin gesetzlich abzusichern.
Die AfD sieht in Bitcoin gleich mehrere Potenziale, von denen Deutschland profitieren könnte. Außerdem könnte eine Überregulierung negative Folgen für den Wirtschafts- und Innovationsstandort Deutschland haben, so die Partei.
Den Digitalen Euro bezeichnet die AfD in dem Antrag als „zentral gesteuertes Kontrollinstrument“ – Bitcoin hingegen eröffne als dezentrales Netzwerk die Möglichkeit echter Selbstbestimmung, heißt es im AfD-Antrag.
Bitcoin erlaubt den Bürgern, ihr Eigentum unabhängig von Banken oder staatlicher Willkür zu verwalten und Transaktionen direkt von Person zu Person durchzuführen. Damit steht Bitcoin ähnlich wie Bargeld für Freiheit und Eigenverantwortung, während der digitale Euro in seiner zentralistischen Struktur das Risiko birgt, in Zukunft für Überwachung, Einschränkungen oder sogar Enteignungen missbraucht zu werden.
Aus dem AfD-Antrag
Dies zeigt, dass die deutsche Politik auch bei den Themen Bitcoin und Digitaler Euro gespalten ist. Im Zuge der immer weiter steigenden Anzahl an BTC-Haltern könnten Bitcoin-feindliche Parteien zunehmend ihre Wähler vergraulen.
Der Pro-Krypto-Wahlkampf von US-Präsident Donald Trump hat verdeutlicht, welchen Wert große Teile der Bevölkerung auf eine wohlwollende Herangehensweise des Staates in diesem Sektor legen. Mit der klaren Anti-Bitcoin-Haltung könnte es der SPD, die mit dem Seeheimer-Kreis-Mitglied Lars Klingbeil den Vizekanzler und Finanzminister stellt, entsprechend umso schwerer fallen, gute Wahlergebnisse zu erzielen.