Der Grosse Rat des Schweizer Kantons Bern hat heute mit großer Mehrheit dem Antrag zugestimmt, das Potenzial von Bitcoin-Mining für die Energiepolitik des Kantons zu überprüfen.

Vorstoss für kantonale Bitcoin-Strategie

Am 14. März 2024 hat die überparteiliche „Parlamentarische Gruppe Bitcoin“ – vertreten durch Simon Ryser (GLP), Korab Rashiti (SVP), Mathias Mueller (SVP), Philip Kohli (Die Mitte) und Samuel Kullmann (EDU) – einen parlamentarischen Vorstoss eingereicht, um das Potenzial von Bitcoin-Mining für den Kanton Bern analysieren zu lassen.

Der Regierungsrat wird beauftragt, einen Bericht zu erstellen, der das Potenzial von Bitcoin-Mining für den Kanton Bern analysiert. Der Bericht soll vor allem aufzeigen,
1. wo im Kanton Bern bei der Elektrizitätsproduktion Energie ungenutzt bleibt
2. wie diese ungenutzte Energie allenfalls durch Bitcoin-Mining genutzt werden kann (z. B. in
Zusammenarbeit mit Schweizer Bitcoin-Mining-Unternehmen)
3. ob oder wie Bitcoin-Mining zur Stabilisierung des Elektrizitätsnetzes beitragen kann.
Auszug aus dem Vorstoss

Die „Parlamentarische Gruppe Bitcoin“, zu der sich 23 von 160 Abgeordnete im Kanton Bern zählen, begründet ihren Antrag mit dem Engagement in anderen Ländern, die Bitcoin-Mining-Unternehmen bereits als flexible und zuverlässige Stromabnehmer für sonst ungenutzte Energie in die eigene Energiepolitik integriert haben, wie das „Vorzeigebeispiel“ des US-Bundesstaats Texas. Zudem sei die Bitcoin-Mining-Branche eine der nachhaltigsten und flexibelsten Industrien der Welt, heißt es in dem Vorstoss.

Demnach könnte auch Bern das Potenzial besitzen, ein attraktiver Standort für Mining-Unternehmen zu werden, was Arbeitsplätze schaffen, den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben sowie das Stromnetz sowohl bei Stromknappheit als auch bei einer Überproduktion stabilisieren könnte. Der Kanton solle sich zukunftsorientiert positionieren und untersuchen, ob die Ansiedlung von Mining-Unternehmen in Bern geeignet wäre, um die entsprechenden Synergien nutzen zu können.

Regierungsrat hat Ablehnung beantragt

Der Regierungsrat – die ausführende Behörde, die Gesetze umsetzt und den Kanton verwaltet – hat im September bereits die Ablehnung des Vorstosses beantragt. Dies wird damit begründet, dass der Energieverbrauch für das Bitcoin-Netzwerk nicht primär auf Bern bezogen, sondern eher ein internationales Thema sei.

Eine Statistik zum Energieverbrauch von Bitcoin oder auch anderer Kryptowährungen in der
Schweiz gibt es aktuell nicht. Der Elektrizitätsverbrauch von Bitcoin fällt aber aufgrund der
Cloud-Technologie oft nicht im Kanton bzw. in der Schweiz an, sondern im Ausland.
Auszug aus der Antwort des Regierungsrates

Die Regierung befürchtet zudem eine Erhöhung des Stromverbrauchs auch durch andere Rechenzentren, wie „Big Data, Internet der Dinge, Streaming oder Cloud-Computing“. Derartige Rechenzentren beanspruchten im Jahr 2019 bereits 3,6 Prozent der Schweizer Elektrizität und könnten in Zukunft mit anderen wichtigen Sektoren um das Stromangebot konkurrieren, heißt es in der Antwort des Regierungsrats. Durch zusätzliche Bitcoin-Mining-Aktivitäten könnten die Energiepreise steigen und die Versorgungssicherheit für die Bevölkerung und andere Industriezweige gefährdet werden. 

Zudem soll es im Kanton Bern aus der Sicht des Regierungsrates keine ungenutzte Energie geben. In Zukunft würde eine Überproduktion hauptsächlich durch Speichertechnologien aufgefangen und später nutzbar gemacht werden, was auch zu einer Entlastung des Stromnetzes führen soll. Allein die Marktdynamik würde die Nutzung der angeblichen Vorteile des Bitcoin-Minings vorantreiben, sodass keine Notwendigkeit bestehe, dass die Regierung diesbezüglich eine Entscheidung fällt und einen Bericht über das Potenzial des Minings für den Kanton verfasst.

Schließlich weist der Regierungsrat auch auf verschiedene Risiken jenseits des Stromverbrauchs hin. Dabei wird vor allem die Tatsache angeführt, dass Bitcoin kein gesetzliches Zahlungsmittel ist und somit auch nicht von der Nationalbank und dem Staat in Bezug auf die Emission, Geldmengensteuerung, Preisstabilität oder kriminelle Aktivitäten kontrolliert werden kann.

Mehrheit stimmt für den Antrag

Die erste Stellungnahme des Regierungsrats zum Antrag der „Parlamentarischen Gruppe Bitcoin“ war inhaltlich sehr schwach und hat die drei Aspekte, die im Vorstoss angeführt sind, nicht ausreichend beantwortet. Im Grossen Rat – dem gesetzgebenden Organ, das Gesetze erlässt und die Regierung kontrolliert – wurde heute jedoch mit großer Mehrheit für den Vorstoss gestimmt.

Mit einem klaren Urteil von 85 zu 46 Stimmen fordert das Parlament des @kanton_bern einen Bericht über das Potenzial des #Bitcoin-Minings zur Stabilisierung unserer #Stromnetze und zur Verwendung ansonsten verschwendeter #Energieressourcen.

Unterstützt wurde der Vorstoß von @simonryser (Grünliberale Partei), @KorabRashiti1, @MathiasMuelle16 (beide Schweizerische Volkspartei), Philipp Kohli (Zentrumspartei) und mir.

Danke, @Dennis_Porter_ und @julian_liniger für eure Aufklärungsbemühungen!

Samuel Kullmann auf 𝕏

Auch wenn die Debatte stark von klassischen FUD-Argumenten geprägt war und am eigentlichen Thema vorbeizielte, fand der Vorstoss am Ende eine deutliche Mehrheit. Eine Mehrheit der Fraktionen SVP, FDP, Mitte, Grünliberale und EDU entschied sich – gegen den Willen der Regierung – dafür, diesen Bericht zu verlangen. Selbst im links-grünen Lager gab es abweichende Stimmen und Enthaltungen. Dieses Ergebnis ist Ausdruck dafür, dass sich das Narrativ zu Bitcoin im Wandel befindet.
Samuel Kullmann

Mit der Abstimmung hat die Regierung nun den Auftrag erhalten, das Thema vertieft zu prüfen und einen Bericht dazu zu schreiben. Es bleibt spannend, die Entwicklung zu dem Thema und weitere Vorstösse der überparteilichen „Parlamentarischen Gruppe Bitcoin“ zu beobachten.

Stefan

Über den Autor: Stefan

Stefan ist studierter Medienwissenschaftler und Sinologe sowie selbstständig im künstlerisch-publizistischen Bereich. Neben den monetären Eigenschaften interessiert er sich vor allem für die sozialen und ökologischen Aspekte von Bitcoin und dem Bitcoin-Mining.

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