Die US-Staatsanwaltschaft verlangt die maximale Strafe von fünf Jahren für die beiden Gründer der Samourai Wallet. Der Vorwurf: unlizensierte Geldübermittlung.

Am 24. April 2024 wurden die beiden Hauptentwickler der Samourai Wallet von der US-Justiz verhaftet. Die Anklagepunkte: Geldwäsche und Verstöße gegen Gesetze zur Geldübermittlung.

Inzwischen nähert sich der Prozess dem Ende. Die US-Staatsanwaltschaft fordert die Höchststrafe für beide Gründer – wegen unlizensierter Geldübermittlung.

Aus den nachstehend näher ausgeführten Gründen ersucht die Regierung respektvoll, eine Freiheitsstrafe von 60 Monaten für Rodriguez und Hill als erforderlich festzusetzen, um die in 18 U.S.C. § 3553(a) genannten Strafzwecke zu erfüllen.
US-Staatsanwaltschaft

Was ist die Samourai Wallet?

Samourai Wallet war eine der führenden Bitcoin-Wallets mit klarem Fokus auf Privatsphäre. 2016 von Keonne Rodriguez (CEO) und William Lonergan Hill (CTO) gegründet, setzte sie von Anfang an auf Datenschutz und Nutzerkontrolle.

Die Wallet war non-custodial: Du hattest jederzeit die volle Kontrolle über deine privaten Schlüssel und damit über deine Bitcoin.

Zu den wichtigsten Funktionen gehörten:

  • Whirlpool: Ein Coin-Mixing-Service, der Transaktionen anonymisiert, indem er deine Coins mit denen anderer Nutzer mischt (ähnlich wie CoinJoin).
  • Ricochet: Fügt zusätzliche „Täuschungs“(Decoy)-Transaktionen hinzu, um Blockchain-Analysen zu erschweren.
  • Weitere Tools: PayNym (für anonyme Zahlungen) und Dojo (ein persönlicher Full-Node-Server).

Das Motto der Gründer: „Privacy is not a crime.“

Die Wallet war Open Source und verstand sich als Werkzeug gegen finanzielle Überwachung im Bitcoin-Netzwerk. Einnahmen erzielte das Projekt durch Spenden und Mixing-Gebühren. Bis zur Abschaltung im April 2024 wurde Samourai Wallet millionenfach heruntergeladen und als „Premium Privacy Service“ gelobt.

Hintergrund des Gerichtsprozesses

Der Prozess wird vom Southern District of New York (SDNY) geführt und ist Teil einer breiteren US-Initiative gegen Krypto-Privacy-Dienste – ähnlich wie bei Tornado Cash. Die Anklage gegen Rodriguez und Hill umfasst:

  • Verschwörung zur Geldwäsche (bis zu 20 Jahre Haft)
  • Betrieb eines ungenehmigten Money-Transmitting-Business (bis zu 5 Jahre Haft)

Am 24. April 2024 erfolgten die Verhaftungen: Rodriguez in den USA, Hill in Portugal (mit anschließender Auslieferung). Zeitgleich wurden die Server in Island beschlagnahmt, die Domain (samouraiwallet.com und samourai.io) gesperrt und die App aus dem Google Play Store entfernt.

Die Anklage wirft Samourai Wallet vor, über zwei Milliarden Dollar an „unrechtmäßigen Transaktionen“ abgewickelt und mehr als 237 Millionen Dollar an Geldwäsche erleichtert zu haben. Zudem sollen die Gründer Kriminelle aktiv angesprochen haben – etwa durch Tweets, in denen Rodriguez Hacker aufforderte, Coins in Whirlpool zu „füttern“. Die Staatsanwaltschaft kritisiert außerdem das Fehlen von AML/KYC-Maßnahmen und das gezielte Marketing als „Illicit Activity“-Tool.

Insgesamt sollen die Entwickler rund 6,3 Millionen US-Dollar an Gebühren durch die Dienste der Samourai Wallet eingenommen haben.

Die US-Regierung geht seit Jahren verstärkt gegen Privacy-Tools und -Services im Bitcoin-Bereich vor. Samourai Wallet ist kein Einzelfall – ähnliche Maßnahmen trafen bereits Projekte wie Tornado Cash und Monero.

Die US-Behörde FinCEN, zuständig für die Bekämpfung von Finanzkriminalität, hat klargestellt:

Anbieter von unhosted Wallets (self-custody), also Software, die es Nutzern ermöglicht, Bitcoin selbst zu speichern und Transaktionen eigenständig durchzuführen, gelten nicht als Geldübermittler. Samourai Wallet fällt eigentlich genau in diese Kategorie.

Samourai Wallet ist eine Software, die dir die volle Kontrolle über deine Bitcoin lässt. Die Entwickler hatten zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf private Schlüssel oder Kundengelder.

Sie stellten lediglich ihren Code zur Verfügung – und Code ist letztlich Sprache. Sprache sollte nicht verboten werden.

Wichtige Meilensteine im Gerichtsprozess

Datum Ereignis Details
2015-2024 Betrieb der Wallet Über 2 Milliarden US-Dollar an Transaktionen, davon laut Anklage 237 Millionen US-Dollar illegal.
24.04.2024 Festnahmen & Beschlagnahme Server, Domain und App wurden gesperrt; Hill wurde aus Portugal ausgeliefert.
Mai 2024 Erste Anklage Vorwurf: Verschwörung zur Geldwäsche und Betrieb eines ungenehmigten Money-Transmitting-Business.
März 2025 Vierte Vorverhandlung Expertenberichte sind bis Juli/August 2025 geplant.
Mai 2025 Brady-Verletzungsvorwurf Die Verteidigung wirft der Staatsanwaltschaft vor, Beweise zurückzuhalten: FinCEN hatte bestätigt, dass Samourai kein Money Transmitter ist (non-custodial), trotzdem blieb die Anklage bestehen. Das Gericht forderte eine Antwort bis zum 09.05.2025; nächste Anhörung am 22.07.2025.
Juni 2025 Ergänzende Anklage Der Fokus liegt nun auf Geldwäsche-Verschwörung; der Vorwurf „unlizensiert“ wurde weitgehend gestrichen.
30.07.2025 Schuldeingeständnis Beide Gründer bekennen sich schuldig zu „Verschwörung zu ungenehmigtem Money Transmitting mit kriminellen Funds“ (eine weniger schwere Anklage, max. 5 Jahre). Die Geldwäsche-Vorwürfe (max. 20 Jahre) entfallen. Hausarrest bis zum Urteil; Verzicht auf 6,3 Mio. US-Dollar Gewinn.
04.11.2025 Strafantrag der Anklage Die Staatsanwaltschaft fordert die Höchststrafe: 5 Jahre Haft pro Person. Rodriguez beantragt 1 Jahr + 1 Tag, Hill „Zeit gedient“ (keine weitere Haft).
06/07.11.2025 Urteil für Rodriguez und Urteil für Hill Geplant für 13:00 Uhr ET.

 

Der Fall Samourai Wallet ist mehr als nur ein Gerichtsverfahren. Hier geht es um einen Kulturkampf: um Anonymität, Open Source und die Zukunft von Bitcoin.

Kernargumente: Anklage vs. Verteidigung

Anklage von (DOJ/SDNY) Verteidigung von Rodriguez und Hill
Samourai sei ein „massiver Geldwäsche-Service“, der Kriminelle aktiv eingeladen und ermutigt habe, illegale Erlöse (z. B. aus Drogenhandel, Hacks) zu waschen – über 237 Mio. US-Dollar. Non-custodial Open-Source-Software für legitimen Datenschutz, etwa gegen Überwachung. Anonymisierung ist kein Geldwäsche-Tool, sondern ein Grundrecht in einer freien Gesellschaft.
Betrieb eines ungenehmigten Money-Transmitting-Business; keine AML/KYC-Maßnahmen trotz Kenntnis krimineller Nutzung. Kein Money Transmitter laut FinCEN-Richtlinien (Anonymisierungs-Software fällt nicht darunter). Die Anklage ignorierte diese Vorgabe und brach mit Präzedenzfällen.
Die Entwickler hätten Profit (ca. 6,3 Mio. US-Dollar Gebühren) über Regulierung gestellt; das Marketing habe sich gezielt an Kriminelle gerichtet (z. B. Tweets von Rodriguez). Die Staatsanwaltschaft habe entlastende Beweise (Brady-Material, FinCEN-Info) zurückgehalten. Das Schuldeingeständnis erfolgte nur zur Risikominimierung; es wird eine milde Strafe oder ein Freispruch gefordert.
Der Fall soll als Präzedenz gegen Mixer wie Tornado Cash dienen und vor Finanzkriminalität sowie Sanktionsumgehung schützen. Angriff auf „Code as Speech“ und Innovation; bedroht alle Privacy-Tools im Kryptobereich und gefährdet Datenschutzrechte.

 

Vor allem nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten sehen viele die USA als Krypto-freundlich. Doch beim Thema Privatsphäre zeigt sich ein ganz anderes Bild: Die US-Regierung geht gezielt gegen Privacy-Tools vor und macht es Entwicklern schwer, innovative Lösungen für Datenschutz zu schaffen. 

Samourai Wallet ist dabei nur ein Beispiel – auch Projekte wie Tornado Cash (ein Mixer auf Ethereum) oder Privacy-Coins wie Monero geraten zunehmend unter Druck. Währenddessen scheint sich die Trump-Administration nur für von den Behörden verfolgte Krypto-Mogule wie Changpeng „CZ“ Zhao, der jüngst begnadigt wurde, zu interessieren und nicht für Rodriguez oder Hill.

Ausblick für den Samourai-Prozess

Der Prozess rund um die Samourai Wallet steuert auf seinen Höhepunkt zu: Am 6. November 2025 steht Keonne Rodriguez vor Gericht, am 7. November folgt William Lonergan Hill. Die US-Staatsanwaltschaft fordert für beide die Höchststrafe von fünf Jahren Haft. Grundlage ist ein Strafmemo vom 3. November, das den Gründern vorwirft, Geldwäsche bewusst gefördert zu haben.

Im Juli bekannten sich die Gründer schuldig und akzeptierten die Rückgabe von 6,3 Millionen US-Dollar an Gebühren sowie einen Verlustzuschlag von 238 Millionen Dollar. Sie fordern jedoch mildere Strafen: Rodriguez plädiert auf ein Jahr und einen Tag, Hill auf „Zeit gedient“ unter Hausarrest.

Die Verteidigung argumentiert, dass non-custodial Software keinen Money-Transmitter-Status begründet. Zudem wirft sie der Anklage vor, die FinCEN-Richtlinien unterdrückt zu haben.

In der Community sorgt der Fall für große Wellen. Auf Plattformen wie 𝕏 und Reddit wird er als „Kampf gegen Privacy“ diskutiert. Hashtags wie #FreeSamourai und #BitcoinPrivacy trenden, und es gibt zahlreiche Spendenaufrufe zur Unterstützung der Entwickler im Gerichtsprozess.

Viele ziehen Parallelen zum Fall Tornado Cash, bei dem die Verurteilung von Roman Storm ähnliche Debatten auslöste. Die Reaktion der Community: Forks wie die Ashigaru Wallet entstehen, um den Code von Samourai weiterzuführen und das Motto „Power to the People“ mit Leben zu füllen.

Ashigaru Wallet als Alternative

Die Ashigaru Wallet ist ein Open-Source-Fork der Samourai Wallet, der im September 2024 veröffentlich wurde – entwickelt von einem anonymen Team ehemaliger Nutzer. Sie setzt die Privatsphäre-Tools von Samourai fort – darunter CoinJoin (Whirlpool), PayNym, Ricochet, Tor-Routing und UTXO-Kontrolle. Die Ashigaru Wallet ist jedoch konsequent dezentralisiert, um regulatorische Angriffe wie die Beschlagnahmung der Samourai-Server 2024 zu vermeiden. Der Dienst ist ausschließlich für Android verfügbar und erfordert zwingend einen eigenen Dojo-Node (z. B. Version 1.25.0) für volle Funktionalität – zentrale Backend-Dienste gibt es nicht mehr.

Im Gegensatz zur Samourai Wallet, die optionale öffentliche Nodes und Service-Gebühren nutzte, verzichtet Ashigaru komplett auf zentrale Infrastruktur und Gebühren. Ricochet-Transaktionen leiten etwaige Kosten in einen Entwicklerfonds um. Die Entwicklung ist Community-getrieben und über Tor gehostet. Ashigaru ist weniger benutzerfreundlich, richtet sich an fortgeschrittene Nutzer und setzt auf maximale Selbstverwahrung und Resilienz. Sie zeigt, wie die Bitcoin-Privatsphäre-Community auf den Samourai-Prozess reagiert: Statt zu kapitulieren, entsteht ein widerstandsfähigeres, dezentrales Nachfolgeprojekt – ein klares Zeichen für die Unzerstörbarkeit von Open-Source-Code und dezentraler Innovation.

Timo

Über den Autor: Timo

Timo Volkov bietet Workshops und Beratungen rund um Bitcoin und Privatsphäre an. Er ist Autor des Buches „Das Privacy Handbuch“ und beschäftigt sich insbesondere mit den technischen Bitcoin-Themen.

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