
Russlands größter Stromnetzbetreiber will Bitcoin-Mining integrieren und koordinieren
Die größte russische Stromnetzgesellschaft Rosseti (Россети) hat Pläne bekannt gegeben, das Mining von Kryptowährungen in ihr Stromnetz zu integrieren, um wenig ausgelastete Kraftwerke effizienter zu nutzen. Dazu hat das staatlich kontrollierte Unternehmen auch sein Interesse daran bekundet, eigene Mining-Aktivitäten zu starten sowie die Koordination der Standorte aller Mining-Anlagen in Russland zu übernehmen.
Mehr Effizienz und Einnahmen
In einem Interview mit der russischen Zeitung „Kommersant“ erklärte Rosseti, dass die Integration und der Ausbau der Mining-Infrastruktur dazu beitragen könnten, ungenutzte Kapazitäten besser zu nutzen und die Auslastung der Energiezentren zu erhöhen. Außerdem könnten zusätzliche Einnahmen aus Tarifen generiert, die wirtschaftliche Entwicklung und Steuereinnahmen gefördert sowie die Strompreise für die Bevölkerung günstig gehalten werden.
Das Unternehmen nennt zwar keine spezifische Kryptowährung, es ist jedoch davon auszugehen, dass vor allem der energieintensive Proof-of-Work-Mechanismus des Bitcoin-Netzwerks für die Nutzung der Überschussenergie infrage kommt und auch von den meisten Mining-Unternehmen bevorzugt wird.
Rosseti als Mining-Koordinator?
Rosseti ist ein börsengelistetes Energieversorgungsunternehmen, das in nahezu allen russischen Regionen präsent ist. Der russische Staat hält eine Mehrheitsbeteiligung von über 88 Prozent an der Aktiengesellschaft. Zu der Rosseti-Gruppe gehören verschiedene Kraftwerke und Unternehmen sowie ein Stromnetz mit einer Gesamtlänge von mehr als 2,1 Millionen Kilometer. Das Unternehmen verwaltet in Russland die gesamte Übertragungs- und Verteilungsinfrastruktur für Elektrizität. Es ist die zentrale Instanz für die Energieinfrastruktur und verfügt über detaillierte Informationen zu den verfügbaren Kapazitäten des Stromnetzes.
In einem Brief informierte der Chef der Rosseti-Gruppe, Andrei Ryumin, den Premierminister der Russischen Föderation, Michael Mischustin, über das Interesse des Unternehmens, eine Schlüsselrolle bei der Regulierung von Mining-Aktivitäten in Russland einzunehmen. Rosseti will die Standortbestimmung der Mining-Anlagen in russischen Regionen übernehmen und deren Energieverbrauch verwalten.
Kritik von Experten
Dieses Vorhaben stößt jedoch auch auf Kritik. Sergei Bezdelov, Leiter der Industrial Mining Association, meint, dass es gegen die Grundsätze des Wettbewerbs verstoßen würde und diskriminierend sei, wenn das größte Energieunternehmen über die Standorte der Mining-Anlagen bestimmt. Auch Sergei Sasim, Direktor des Zentrums für Elektrizitätsforschung an der National Research University Higher School of Economics, ist der Ansicht, dass dies die Entwicklung bestimmter Wirtschaftszweige eher behindern würde und zu unlauterem Wettbewerb führen könnte – vor allem, wenn Rosseti selbst Mining betreibt. Die Befugnisse des Netzbetreibers sollten deshalb nicht ausgeweitet werden, fügte der Experte hinzu.
Es bleibt zwar abzuwarten, ob der Kreml dem Vorhaben des größten Stromnetzbetreibers des Landes zustimmt und ihn offiziell zum Koordinator der Mining-Aktivitäten ernennt. Dies könnte angesichts der Staatsnähe des Unternehmens jedoch sehr wahrscheinlich sein. Im letzten Jahr erlaubte die russische Regierung die Nutzung von Kryptowährungen für den internationalen Handel und erließ Vorschriften für das legale Mining, die bereits staatliche Kontrollelemente beinhalten. Richtlinien für den Standort von Mining-Anlagen gab es bisher in Russland jedoch nicht. Die Unternehmen siedelten sich dort an, wo der Strompreis günstig, die Kapazität ausreichend und die Stromversorgung zuverlässig war.
Energieprobleme in Russland
Der bisherige Ansatz führte in einigen Gebieten – insbesondere während der Wintermonate und bei Hitzewellen – jedoch auch zu lokalen Energieengpässen. Aus diesem Grund beschloss die russische Regierung eine temporäre Einschränkung des Minings in insgesamt 13 russischen Regionen – Blocktrainer.de berichtete.
Gleichzeitig stellte Rosseti einen Rückgang des Energieverbrauchs in anderen Gebieten fest, was zu ungenutzten Netzkapazitäten und steigenden Kosten für die Wartung führte. Zu den Gebieten mit geringer Netzauslastung zählen die autonomen Kreise Chanty-Mansijsk und Jamal-Nenzen, die Republik Komi sowie die Region Tjumen, in der es beispielsweise aufgrund sinkender Ölförderung mehr als 500 Megawatt freie Kapazitäten gibt.
Spezieller Stromtarif
Um die Stromnachfrage in diesen Gebieten anzukurbeln, will Rosseti neue Verbraucher wie Mining-Unternehmen mit vergünstigten Strompreisen oder einem speziellen variablen Tarifmodell locken. Dieser Sondertarif würde von der Mining-Industrie positiv aufgenommen werden und er könnte zudem zur Steigerung der Produktionsleistung sowie zur Netzstabilität beitragen, so Bezdelov. Sasim hingegen lehnt eine Preisregulierung grundsätzlich ab.
Doch Rosseti will die Mining-Anlagen nicht nur mit freien Netzkapazitäten verbinden, sondern offenbar auch gezielt deren Betrieb beeinflussen, um Engpässe zu vermeiden und das Netz zu stabilisieren. Das staatliche Unternehmen möchte den Energieverbrauch der Miner überwachen und steuern. Dies könnte bedeuten, dass die Anlagen in Zeiten hoher Netzbelastung gedrosselt werden oder die Betreiber Anreize erhalten, ihre Aktivitäten in Schwachlastzeiten zu verlegen. Ob Unternehmen dabei auch Entschädigungszahlungen erhalten – ähnlich den Demand-Response-Programmen des texanischen Netzbetreibers ERCOT –, bleibt unklar.
Letztlich könnte der staatlich gelenkte Energieversorger Rosseti über variable Strompreise für Miner indirekt steuern, wann und wo Mining in Russland rentabel ist. Mit zusätzlichen regulatorischen Befugnissen könnte das Unternehmen ganze Regionen für das Mining sperren oder gezielt bevorzugen. Ob diese Maßnahmen dazu beitragen, dass Russland – so wie geplant – eine führende Rolle im Mining einnimmt, bleibt jedoch fraglich. Für private Mining-Unternehmen wirken solche Regulierungen meist eher abschreckend.