Die Frage, welche Wirtschaftstheorie zu mehr allgemeinem Wohlstand führt, ist Gegenstand hitziger und oftmals auch emotionaler Diskussionen. Die Ansätze unterscheiden sich hierbei nämlich mitunter deutlich oder sind gar gänzlich gegensätzlich.

Die „Modern Monetary Theory“ (MMT) ist hierbei quasi der direkte Gegenspieler der „Österreichischen Schule der Nationalökonomie“. Die Österreicher plädieren für die Trennung von Staat und Geld – dafür steht auch Bitcoin. MMT hingegen fußt darauf, dass sich der Staat durch das eigene Geldmonopol finanzieren und so theoretisch mit unbegrenzten Mitteln in die Wirtschaft eingreifen kann. Beide Theorien sind heterodoxe ökonomische Theorien, also Theorien außerhalb des ökonomischen Mainstreams.

Bitcoin-Befürworter und Vertreter der MMT geraten nicht selten aneinander. Für Bitcoiner stellt die Vision einiger MMTler eine Dystopie dar, geprägt von einer ständigen Entwertung des Geldes sowie einem übergriffigen und ineffizienten Staat. Für MMT-Anhänger hingegen ist Bitcoin ein Dorn im Auge, da ihre wirtschaftspolitischen Forderungen mit einem freien, nicht staatlich kontrollierbaren Geld nicht umsetzbar wären.

Modern Monetary Theory (MMT)

Kern der MMT ist es, dass ein Staat, der seine eigene Währung herausgibt, nicht auf Steuern angewiesen ist, um sich zu finanzieren. Das Geld für benötigte Staatsausgaben kann er in enger Zusammenarbeit mit der Zentralbank theoretisch einfach unbegrenzt schöpfen. Mit diesen Mitteln kann der Staat dann lenkend in die Wirtschaft eingreifen und unter anderem für Vollbeschäftigung sorgen, in dem er etwa Bürger direkt für sich arbeiten lässt.

Die ökonomische Denkschule baut auf dem sogenannten „Chartalismus“ auf, der besagt, dass Geld von den Regierungen kommt und erst von ihnen in Umlauf gebracht werden muss, um überhaupt in Form von Steuern wieder eingenommen werden zu können. Die MMTler schlussfolgern entsprechend, dass das vom Staat herausgegebene Geld nie wirklich knapp ist.

Auch wenn Steuern per se nicht zur Staatsfinanzierung notwendig sind, ist es laut MMT dennoch notwendig diese zu erheben. In erster Linie dafür, dass die Menschen die sonst wertlose Währung überhaupt nachfragen, um damit Steuern, aber auch andere Forderungen des Staates zu entrichten.

Der Unterschied zwischen Geld und Müll besteht darin, dass es einen Steuereintreiber gibt. [...] Kann die Erhebung der Steuer nicht durchgesetzt werden, dann geht der Wert des Dollars auf null.
Warren Mosler, bekanntester Vertreter der MMT, in einer Debatte

Die Staatswährung muss also von der Bevölkerung genutzt werden, damit der Staat mit dem neu gedruckten Geld auch aktiv werden kann. Mit diesem Geld kann der Staat Investitionen tätigen, er kann Menschen für ihn arbeiten lassen, Sozialleistungen zahlen und Güter einkaufen, die in seiner Währung zum Kauf angeboten werden.

Hier erkennt die MMT aber auch an, dass nicht jeder Staat in dieser Hinsicht die gleichen Möglichkeiten hat. Manche Staaten geben keine eigene Währung aus oder aber es fehlt einfach an den Strukturen, um effektiv Steuern einzutreiben. Wichtig ist auch, dass bestimmte Währungen, wie der US-Dollar, weiter verbreitet und stärker nachgefragt sind als andere. Dies ermöglicht den USA einen größeren wirtschaftspolitischen Handlungsspielraum, da gewissermaßen weltweit Güter gegen US-Dollar verkauft werden.

Steuern sind aber auch ein Instrument, um die Wirtschaft zu lenken. Mit Steuern kann die Nachfrage nach bestimmten Gütern staatlich gesteuert werden. Auch können Steuererhöhungen die allgemeine Güternachfrage reduzieren, etwa wenn die Wirtschaft überhitzt und eine nachfragebedingte Inflation droht, so die MMT.

MMT = unbegrenzt Geld drucken für mehr Wohlstand?

Rein theoretisch kann ein Staat also laut MMT so viel von seiner eigenen Währung drucken, wie er benötigt. Er kann auch in seiner eigenen Währung nicht wirklich zahlungsunfähig werden, da er sich einfach unbegrenzt neues Geld beschaffen kann, um die Schulden zu begleichen. Limitierungen für die Geldbeschaffung gibt es also nicht, insofern ein Staat sich selbst keine Schuldenobergrenze setzt. Von Schuldengrenzen sind Vertreter der MMT aber ohnehin keine Freunde. 

MMTler stellen auch klar heraus, dass für den Staat andere Regeln gelten, als für die normalen Haushalte. Der Staat kann sich selbst Geld drucken – Haushalte können das nicht. Staaten können, (wenn sie in der eigenen Währung verschuldet sind) nicht pleitegehen, Haushalte schon. Wichtig ist aber, dass ein Staat sich nicht (zu stark) in Fremdwährungen verschuldet, da er diese eben nicht selbst aus dem Nichts schöpfen kann.

Die Sorge um ein hohes Staatsdefizit ist aus der Sicht der MMT unbegründet und wie die Tatsache, dass Zentralbanken noch Goldreserven halten, ein Relikt aus der Zeit als Währungen noch mit Gold gedeckt waren. Geringe Staatsschulden, oder gar ein Überschuss, sind laut MMT-Befürwortern in der Regel sogar schlecht für die Wirtschaft. Die Staatsschulden seien nämlich mit dem unbesteuerten Vermögen der Gesellschaft gleichzusetzen. Die Begründung dahinter ist, dass wenn der Staat mehr Geld ausgibt, als er einnimmt, es dann als zusätzliches Einkommen bei den Bürgern landet.

Die Höhe der Staatsschulden ist für MMTler irrelevant, wenn es um künftige Staatsausgaben geht. Hingegen ist der Punkt, an dem aus MMT-Sicht nicht weiter staatlich Geld geschöpft werden sollte, der, wenn mit bereits allen Ressourcen gewirtschaftet wird. Damit ist auch die Arbeitskraft der Menschen gemeint. Wenn keine realen Ressourcen mehr unbewirtschaftet sind, dann bestehe auch laut MMT die Gefahr, dass durch ein Wettbieten auf die knappen Ressourcen die Preise auf breiter Front ansteigen. Wenn es hingegen noch keine Vollbeschäftigung gibt, dann könne ohne Probleme mit neuem Geld die Menschen zum Arbeiten gebracht werden, so die MMTler. Den Grund für Arbeitslosigkeit sehen sie häufig in zu niedrigen Staatsausgaben.

Empfehlungen von MMTlern

Die MMT zeigt auf, dass ein Staat eigentlich gar keine Zinsen auf die Staatsschulden zahlen müsste. Diese Zinsen seien letzten Endes nämlich auch nur Staatsausgaben, die in den Taschen der Kreditgeber landen, erklären sie. MMTler plädieren vielmehr dafür, dass der Staat sich das Geld doch einfach zinslos von der jeweiligen Zentralbank zur Verfügung stellen lassen sollte. Zinsen auf Staatsanleihen gelten als risikolose Zinsen und MMTler kritisieren politisch, dass bei Zinsen größer als null, bereits vermögende Menschen leistungslos immer reicher werden würden.

Aktuell sind die Zentralbanken in der Erfüllung ihrer Mandate – unter anderem Preisstabilität respektive dem 2-%-Inflationsziel – auf dem Papier unabhängig von der Regierung. MMTler erkennen aber, dass die Regierungen Druck auf die Geldhüter ausüben können, damit die Zentralbankhandlungen mit den wirtschaftspolitischen Zielen übereinstimmen.

Mir ist Stand heute kein einziger Fall bekannt, wo eine Zentralbank der Regierung sagt: tut mir leid, so viel könnt ihr nicht ausgegeben. Für Lateinamerika nicht, für Asien nicht und für Afrika auch nicht. Sicherlich gibt es solche Fälle irgendwo irgendwann, aber dann muss man halt die Zentralbank wieder etwas strenger an die Regierung binden. Dazu braucht es politischen Willen und Macht, aber es geht. [...] Die Exekutive hat im Zweifel die Hosen an und der Zentralbankpräsident, der nicht mitspielt, muss sich nicht wundern, wenn die Steuerfahnder sein Haus durchsuchen, sein Auto abgeschleppt wird und der Sohnemann keinen neuen Reisepass bekommt. So in etwa stelle ich mir das vor, wenn es hart auf hart kommt.
Dirk Ehnts (MMTler) in einem Interview

MMTler schlagen auch vor, die Zentralbank dem Wirtschaftsministerium unterzuordnen. Dies würde schließlich bedeuten, dass ein Staat nicht mehr auf die Kreditausgabe am Markt angewiesen ist, sondern sich einfach selbst das benötigte Geld für Staatsausgaben (digital) drucken kann.

Ein weiterer Vorschlag aus dem Lager der MMT ist, Arbeitslose direkt beim Staat in Übergangsjobs zu beschäftigen. Diese Bürger könnten dann mit neu gedrucktem Geld bezahlt werden und somit würden diese mit dem Ausüben der Jobs auch einen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen.

Einordnung der MMT

Die MMT versteht sich als eine Analyse der aktuellen Geldpolitik und möchte aufzeigen, was theoretisch alles mit einem Geldmonopol möglich ist. Es sollen jedoch hauptsächlich wertfrei makroökonomische Zusammenhänge aufgezeigt werden. MMT ist an sich also keine Handlungsempfehlung für Regierungen. Nichtsdestotrotz hat die MMT überwiegend Befürworter aus dem linkspolitischen Lager und die wirtschaftspolitischen Empfehlungen beziehungsweise Forderungen der MMT-Ökonomen führen fast ausnahmslos in Richtung eines stärkeren Staates.

Die Vision der MMTler ist bereits recht nahe an unserem aktuellen Wirtschaftssystem. Die Währungen sind bereits ungedeckt und können vom Staat beziehungsweise den Zentralbanken willkürlich herausgegeben werden. Außerdem greifen Staaten schon immer stärker lenkend in die Wirtschaft ein. 

Zentralbanker sind sich zudem auch bewusst, dass der Staat theoretisch so viel Geld drucken könnte, wie er denn möchte – auch wenn sie dies eher selten so offen kommunizieren wie beispielsweise der ehemalige Vorsitzende der US-Zentralbank Alan Greenspan.

Nichts hindert die Regierung daran, so viel Geld zu schaffen, wie sie will und es an jemanden zu zahlen.
Alan Greenspan, Committee on the Budget (2005)

Worin sich die MMT aber zu der Mainstream-Ökonomie unterscheidet, ist die Analyse, dass ein immer höheres Staatsdefizit nicht zu Problemen führe. Mainstream-Ökonomen sehen es in aller Regel nicht als unbedenklich an, wenn der Staat immer mehr ausgibt, als er über Steuern einnimmt. Deshalb steht beispielsweise auch im Vertrag von Maastricht, dass EU-Mitgliedsstaaten maximal Schulden in Höhe von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts haben dürfen. 

Ein Argument häufig angebrachtes Argument von Mainstream-Ökonomen gegen unlimitierte Staatsausgaben ist überdies, dass so dem Staat der Anreiz genommen wird, effizient zu wirtschaften und er so den Wohlstand schaffenden Privatsektor verdrängt – der sogenannte „Crowding-Out-Effekt“.

MMTler vs. Österreicher

Vertreter der Österreichischen Schule plädieren in erster Linie für einen freien Geldmarkt und somit sind sie gegen ein Geldmonopol. Dies ist aber die Grundlage der MMT und somit ist die Diskussion, ob ein Geldmonopol wohlfahrtssteigernd ist, ein zentraler Aspekt der Streitigkeiten. 

Geldmonopol vs. freier Geldmarkt

Die Österreicher behaupten, dass wie in anderen Märkten, sich auch im Geldmarkt das Beste für alle durchsetzen würde. Das wäre vermutlich dann ein knappes und freies Zahlungsmittel, wie Gold oder Bitcoin, da den Geldnutzern viel daran liegen dürfte, dass das von ihnen verwendete Geld ein Knappheitsversprechen mitbringt und langfristig seinen Wert erhält.

Vor allem kritisieren Österreicher aber, das Benutzen eines bestimmten Geldes den Menschen vorzuschreiben. Der Staat deklariert momentan seine Währung als gesetzliches Zahlungsmittel, das Verkäufer akzeptieren müssen. Das alleine macht es schon unattraktiv, alternative Geldformen verwenden. Zudem erheben Staaten in aller Regel Steuern auf Kursgewinne alternativer Zahlungsmittel oder stellen gar den Handel mit den Konkurrenten der Staatswährung unter Strafe.

Menschen haben sich schon immer in freien Märkten darauf geeinigt, ein Gut als Geld zu verwenden. Staatlicher Zwang ist entsprechend keine notwendige Bedingung dafür, dass ein allgemeines Tauschmittel Anwendung findet.

MMT-Vertreter befürworten in aller Regel das Geldmonopol, da sie es als sinnvoll erachten, wenn der Staat sich unbegrenzt Mittel beschaffen kann, um damit aktiv zu werden. Österreicher halten dagegen und behaupten, dass der Markt um Welten besser Ressourcen allokieren kann, als ein zentraler Planer. 

Österreicher sind überzeugt davon, dass der Staat sich weitestgehend aus der Wirtschaft heraushalten sollte. Unter den Vertretern der Österreichischen Schule gibt es Anarchisten, die die Existenz eines Staates gänzlich ablehnen. Auch gibt es Minimalstaatler, die noch einen Staat – etwa für den Schutz von Eigentumsrechten – haben wollen. 

Grundsätzlich sehen es Vertreter der Österreichischen Schule aber als äußerst problematisch an, wenn der Staat für die Mittelbeschaffung nicht mehr auf die Steuern der Bürger angewiesen ist.

Dass das aber auf ein geradezu gefährliches Staatsverständnis hinausläuft, sollte jedem klar sein, der den tieferen Sinn der Forderung "No taxation without representation" versteht: Ihre Beachtung soll bekanntlich sicherstellen, dass die Regierenden nicht ohne Zustimmung an Geld und Eigentum der Regierten kommen; und entsprechend ist die Missachtung dieser Forderung – wie sie die MMT einfordert – Ausdruck einer tyrannischen Gesinnung.
Thorsten Polleit (Österreichischer Ökonom) in einem Artikel über die MMT

Außerdem können Bürger leicht in eine finanzielle Abhängigkeit vom Staat gebracht werden, etwa wenn sie direkt für den Staat arbeiten oder auf Sozialleistungen angewiesen sind. Das kann sie staatstreu machen. 

Letztlich besteht bei einem zentral kontrollierten Geld auch immer die Gefahr, dass Akteure primär versuchen, möglichst nahe an der Quelle zu sein, anstatt Probleme zu lösen und dadurch an das Geld anderer Menschen zu kommen. Natürlich kann sich die regierende Partei mit den vielen Mitteln, die das Geldmonopol potenziell bereitstellt, auch direkt Wählerstimmen erkaufen.

Es ist absehbar, dass Regierungen sich, wenn sie ungehindert Zugang zur Notenpresse erhalten, immer mehr neues Geld beschaffen, es mit vollen Händen ausgeben, um sich damit die Zustimmung der Regierten zu erkaufen. Gerade in modernen Demokratien sorgen Politiker sich um das Hier und Jetzt, scheren sich wenig um das Morgen. Hochinflation, wenn nicht gar Hyperinflation, werden daher die unausweichliche Begleiterscheinung der MMT sein.
Thorsten Polleit (Österreichischer Ökonom) in einem Artikel über die MMT

Geldmenge und Inflation

Ein zentraler Reibungspunkt zwischen MMTlern und Vertretern der Österreichischen Schule ist die Frage, ob und in welchem Maße sich die umlaufende Geldmenge überhaupt in einem steigenden Preisniveau widerspiegelt. 

Maurice Höfgen, ein bekannter deutscher MMT-Vertreter, schreib exemplarisch in einem Blog-Beitrag Ende 2021, dass „Inflation nichts (!) mit Geldmenge zu tun“ habe. Vertreter der Österreichischen Schule reihen sich hingegen eher bei der Denkschule des von Milton Friedman geprägten Monetarismus beziehungsweise der Quantitätstheorie ein. Friedman zufolge ist die Geldmenge der relevante Faktor, wenn es um Güterpreise geht.

Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen.
Milton Friedman

Generell ist es ökonomischer Konsens, dass sich die umlaufende Geldmenge in der langen Frist in dem Preisniveau widerspiegelt. 

Luca Benati, Professor an der Universität Bern und ehemaliger Mitarbeiter der EZB und Bank of England, hat in einer wissenschaftlichen Arbeit den Zusammenhang zwischen Geldmengenwachstum und Inflation in den vergangenen zwei Jahrhunderten in Großbritannien, den USA und anderen Ländern untersucht. Er kam zu dem Ergebnis, dass eine starke und konsistente Beziehung vorherrscht.

Dies impliziert, dass der Anteil der langfristigen Inflationsschwankungen, der durch das langfristige Geldmengenwachstum erklärt wird, sehr hoch und relativ stabil war.
Luca Benati in “Long run Evidence on Money Growth and Inflation” (EZB Working Paper)

Neben der Geldmenge gibt es aber auch andere Faktoren, die sich auf das Preisniveau auswirken. Unter anderem technologischer Fortschritt, der mit der Zeit eigentlich alles erschwinglicher machen würde oder auch die gesamtgesellschaftliche Konsumlaune.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Mainstream-Ökonomie zunehmend davon verabschiedet, der Geldmenge einen relevanten Einfluss zuzusprechen – auch wenn sie weiterhin als Inflationsfaktor nicht abgestritten wurde.

Zu Beginn der Währungsunion stand bei der monetären Analyse im Vordergrund, dass es in der langen Frist einen vielfach belegten, recht engen Zusammenhang zwischen Geldmengenwachstum und Inflation gab. Danach führte – stark vereinfacht ausgedrückt – eine übermäßige Ausweitung der Geldmenge auf Dauer zu einem übermäßigen allgemeinen Preisanstieg. Im Umfeld niedriger und relativ stabiler Inflationsraten der vergangenen Jahre hat sich der Geldmengen-Preis-Zusammenhang allerdings abgeschwächt. [...] Dennoch enthalten monetäre und finanzielle Größen weiterhin wichtige Informationen über mögliche Inflationsrisiken.
Deutsche Bundesbank: “Geld und Geldpolitik”, Kapitel 6: Die Geldpolitik des Euro-Systems, S. 16f

Als im Rahmen der Gelddruckorgien in Reaktion auf die Corona-Lockdowns zunächst die umlaufende Geldmenge und etwas versetzt auch die Konsumgüterpreise in die Höhe schossen, erwischte dies die Zentralbanker und Mainstream-Ökonomen auf dem falschen Fuß.

Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, oder auch der Chef der Federal Reserve, Jerome Powell, betonten damals immer mehrfach, dass die Inflation nur temporär sei, also zügig wieder verschwinden werde.

Alle jene, welche aufgrund der starken Ausweitung der umlaufenden Geldmenge im Euro-Raum oder in den USA eine höhere Inflation antizipierten, sollten Recht behalten. Zentralbanker räumen diesen Fehler inzwischen auch ein.

EZB-Direktorin Isabel Schnabel hat in einem Vortrag mit dem Titel „Die Geldmenge lieber nicht ausblenden“ Ende 2023 eingestanden, dass es wohl ein Fehler war, diese Variable in den vergangenen Jahren zu vernachlässigen. Sie betonte zusammenfassend, „die Geldmenge verdient nach wie vor einen festen Platz in der geldpolitischen Analyse“.

Der Inflationsschub der vergangenen Jahre stellt die Quantitätstheorie auf eine neue Probe. Vor allem stellt sich die Frage, ob der rasante Anstieg des Geldmengenwachstums im Jahr 2020 ein Warnsignal der Risiken für die mittelfristige Preisstabilität war.

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) kommt zu genau diesem Schluss. Demnach hätte man die Fehler in den Inflationsprognosen der vergangenen Jahre deutlich verringern können, wenn man das Geldmengenwachstum, das über das reale Wirtschaftswachstum hinausging, berücksichtigt hätte. Dieser Befund zeigt, dass die Geldmengenaggregate eine wichtige Informationsquelle für die Einschätzung der Risiken für die Preisstabilität sein können. Die Ergebnisse suggerieren auch, dass die berühmteste These der Monetaristen vielleicht voreilig für überholt erklärt wurde.
Isabel Schnabel in ihrem Vortrag

MMTler hingegen haben weiter versucht, die Geldmenge als Faktor außen vorzulassen und die Hochinflation der vergangenen Jahre auf den Energiepreisschock durch den Ukrainekrieg zurückzuführen. Dass die Inflation in Deutschland schon vor der Invasion der Ukraine durch Russland im Februar 2022 bei über 4 Prozent lag, blenden sie dabei gut und gerne aus – oder schieben es auf die damalige Lieferkettenproblematik.

In der Vergangenheit war immer wieder zu beobachten, dass Staaten bei durch Gelddruckexzesse ausgelösten Hoch- oder Hyperinflationen die Schuld von sich wegwiesen und gierige Unternehmer, Landesverräter oder Spekulanten für die steigenden Preise verantwortlich machten.

Wenn es wirklich externe Faktoren sein sollen, welche den primären Inflationstreiber darstellen, kommt jedoch die Frage auf, warum das allgemeine Preisniveau beziehungsweise der Konsumgüterpreisindex nie wieder auf das Niveau von vor davor zurückfallen wird. Selbst wenn die Inflationsraten mittlerweile wieder geringer ausfallen, bedeutet dies, dass die Preise immer noch steigen – anders, als es Marcel Fratzscher erklären würde.

Vertreter der Österreichischen Schule halten eigentlich nicht viel von ökonomischen Aggregaten, wie der Konsumgüterpreisinflation oder auch dem Bruttoinlandsprodukt, weil diese für die Österreicher relevante Informationen nicht sichtbar machen. Sie behaupten, dass eine steigende Geldmenge sehr wohl zu Verteuerungen führt – und zwar im Vergleich zu einem Zustand, in dem die Geldmenge nicht ausgeweitet worden wäre.

Angenommen, die Geldmenge steigt während eines Zeitraums leicht an, während die Güterpreise aufgrund von technologischem Fortschritt eigentlich erschwinglicher geworden wären, so ist selbstverständlich ein Szenario vorstellbar, in dem trotz Geldmengenausweitung das Preisniveau konstant bleibt. Dadurch zu schlussfolgern, dass die Geldmenge keinen Einfluss auf das Preisniveau habe, wäre laut den Österreichern vermessen.

Ein weiterer Punkt, der häufig von Bitcoin-Befürwortern oder Anhängern der Quantitätstheorie angeführt wird, ist, dass Staaten ein Interesse daran haben, niedrige Inflationsraten auszuweisen und entsprechend den Index gestalten. Bei einer künstlich niedrigeren Inflation können sie nämlich ein höheres reales Wirtschaftswachstum ausweisen oder suggerieren, dass das Staatsgeld besser seinen Wert erhält, als es tatsächlich der Fall ist.

Würde etwa die Inflation in den USA noch so berechnet werden wie im Jahr 1980, so läge die offizielle Rate laut ShadowStats.com konstant um ein Vielfaches höher.

Die Steuerung der Geldmenge

Auch bei der Frage, wer die umlaufende Geldmenge überhaupt steuert, unterscheiden sich die Analysen der beiden Denkschulen. Da es faktisch gesehen die Geschäftsbanken sind, welche das Giralgeld, mit dem wir alle Güter handeln, über den Prozess der Kreditgeldschöfpung in den Umlauf bringen, behaupten MMT-Vertreter, Banken würden dezentral die Geldmenge steuern – und eben nicht die Zentralbank.

Anders als Viele immer noch annehmen, steuert die EZB nicht die Geldmenge. Weder will sie das, noch könnte sie das.
Maurice Höfgen, bekannter MMT-Vertreter, in einem Artikel

Dieser Schlussfolgerung würde jedoch selbst die Europäische Zentralbank entschieden widersprechen. Auf der offiziellen Website schrieben die Geldhüter unter dem Punkt „Was ist die EZB?“ Folgendes:

Die Europäische Zentralbank (EZB) ist die Zentralbank des Eurogebiets. Sie ist für die Steuerung der in diesem Währungsraum umlaufenden Geldmenge zuständig. Unser Hauptziel ist die Gewährleistung stabiler Preise, und das wichtigste Instrument dafür ist die Festlegung angemessener Zinssätze.
Selbstbeschreibung der EZB

Zentralbanken steuern die umlaufende Geldmenge – also die Giraldgeldmenge – mit dem Hauptinstrument des Leitzinses. Ist es günstiger, sich Geld zu leihen, so steigen die Anreize, Kredite aufzunehmen und vice versa. Dies war insbesondere auch in den vergangenen Jahren zu beobachten. Im Rahmen der Niedrigzinspolitik ist die Geldmenge explodiert und als die Zentralbanken die Zinsen zwecks Inflationsbekämpfung wieder angehoben haben, war die Geldmenge sogar rückläufig. 

Giralgeld wird vernichtet, wenn Kredite zurückgezahlt werden. Und entsteht zeitgleich weniger neues Geld via Kreditgeldschöpfung als durch getilgte Kredite zurückgezahlt wird, so kann die umlaufende Geldmenge auch wieder sinken.

Zentralbanken schöpfen auch selbst Geld – und zwar Zentralbankgeld beziehungsweise die Geldbasis (M0). Dieses Geld entsteht, wenn die Geldhüter Wertpapiere kaufen oder Kredite vergeben. Jedoch halten nur Geschäftsbanken Konten bei der Zentralbank und Bürger können nur in der Form von Bargeld mit Zentralbankgeld handeln.

Die Schaffung von Zentralbankgeld hat ebenfalls Implikationen für das allgemeine Preisniveau. Zum einen, weil Zentralbanken mittels Wertpapierkäufen die langfristigen Zinsen im Rahmen der „Quantitativen Lockerung“ absenken können. Zum anderen, weil die Geldhüter auch mit dem Kauf von Staatsanleihen – wenn auch nur über den Sekundärmarkt – die Staatsausgaben mit frisch geschaffenem Geld finanzieren.

So hat die Federal Reserve in etwa während der Coronapandemie das Geld für die vielen „Stimulus-Checks“ in den USA bereitgestellt, mit welchem die Bürger auf direktem Wege die Kurse von Vermögenswerten wie Aktien oder Immobilien, aber auch Konsumgüterpreise in die Höhe schießen lassen haben.

Ein anderer relevanter Faktor ist darüber hinaus, dass Zentralbanken mit dem neu von ihnen erschaffenen Geld die Geschäftsbanken rekapitalisieren können. Dies haben sie beispielsweise während der Weltfinanzkrise 2008 getan, in dem sie ihnen die Wertpapiere auf der Bilanz, die auf dem Markt keinen Abnehmer gefunden hätten, abgekauft haben. 

Da Bankenpleiten dazu führen können, dass das von dem jeweiligen Geldinstitut geschaffene Giralgeld verpufft, wirken sich diese Rekapitalisierungmaßnahmen ebenso auf das Preisniveau aus – und zwar in erster Linie antideflationär, da so dem sonst eintretenden Rücklauf der umlaufenden Geldmenge, die letztlich nur einen Anspruch auf Zentralbankgeld darstellt, entgegengewirkt wird.

Geldpolitik

Vertreter der Österreichischen Schule sehen es als problematisch an, wenn die Zinsen künstlich niedrig gehalten werden. Der natürliche Zinssatz ist für sie immer größer als null, da er sich aus der Zeitpräferenz der Menschen ergibt, die immer die heutige Erreichung von Zielen der zukünftigen vorziehen. Sie argumentieren, dass ein künstlich niedriger Zins zu Fehlallokationen und Boom-and-Bust-Zyklen führt. 

MMTler hingegen sind davon überzeugt, dass Boom-and-Bust-Zyklen durch die prozyklisch handelnde Privatwirtschaft entstehen und der Staat antizyklisch eingreifen muss, um die Zyklen zu glätten. Der Zusammenhang von einer lockeren Geldpolitik (niedrigen Zinsen und Anleihekäufe) und Boom-Phasen (stark steigenden Vermögenspreisen) auf die Bust-Phasen folgen ist grundsätzlich ökonomischer Konsens.

Die Geldpolitik ist lockerer in Boom-Phasen als in normalen Zeiten.
Detken and Smets in “Asset Price Booms and Monetary Policy” (EZB Working Paper)

MMT-Vertreter fordern in aller Regel, dass der Leitzins durchgehend bei 0 Prozent liegen soll. Da aber durch steigende Vermögenspreise die Reichen stärker profitieren und MMTler auch Vermögenssteuern befürworten, ist davon auszugehen, dass der Vermögenspreisinflation dann mit Umverteilung entgegengewirkt werden soll. Forderungen nach Vermögens- und Erbschaftssteuern finden sich häufig bei MMT-Ökonomen wider.

Worin sich die Ökonomen der beiden Lager jedoch einig sind, ist, dass die Zentralbank nicht in der Lage ist, ihr Mandat der Preisstabilität zu erfüllen. Während Österreicher an sich keine Zentralbank haben wollen, plädieren MMTler hingegen dafür, dass der Staat sich um das Erreichen des Inflationsziels von 2 Prozent kümmern soll. Die Begründung dahinter ist, dass der Staat mit seinen Ausgaben auf einem viel direkteren Weg neues Geld in die Realwirtschaft kanalisieren kann, um somit die gesamtgesellschaftliche Nachfrage und auch die Inflation anzutreiben.

Inflation vs. Deflation

Ein weiterer Meinungsunterschied rührt daher, ob eine Inflation notwendig für Wirtschaftswachstum ist und ob sinkende Konsumgüterpreise wirklich um alles in der Welt zu vermeiden sind. Hier vertreten MMTler eher die Mainstream-Meinung beziehungsweise die der Zentralbanker, welche sich ein 2-%-Inflationsziel setzen, um einen Sicherheitsabstand zu der „gefährlichen“ Deflation zu haben.

Österreicher machen derweil darauf aufmerksam, dass ein rückläufiges Preisniveau per se nichts Schlechtes sein muss. Ludwig von Mises, einer der einflussreichsten Vertreter der Österreichischen Schule, erkannte bereits vor einigen Jahrzehnten, dass ein durch die Kreditgeldschöpfung ausgelöster Boom in einen deflationären Bust umkippen wird, was zu Verwerfungen führen kann. Entsprechend appellierte er, nicht die Folgen einer wirtschaftlichen Korrektur mit denen einer normalen Deflation zu vermengen.

Man darf die Folgen der Deflation nicht mit den Folgen des auf die Beendigung des Aufschwungs folgenden Anpassungsprozesses zusammenwerfen. Dieser wird durch die Beendigung der Kreditausweitung ausgelöst, auch wenn die Geldmenge nicht verringert wurde.
Ludwig von Mises in Theorie des Handelns und Wirtschaftens (S. 517)

Dass eine Deflation sogar ein überdurchschnittliches hohes Wirtschaftswachstum mit sich ziehen kann, zeigt die Zeit des Klassischen Goldstandards (1871 – 1914), in der sich die Hochindustrialisierung ereignete. Während dieser Periode war das Preisniveau durchaus rückläufig und die Wirtschaft wuchs inflationsbereinigt deutlich stärker als in der bisherigen Zeit des Fiatstandards.

Sogar John Meynard Keynes, auf den die von MMTlern beliebäugelte Wirtschaftstheorie des Keynesianismus zurückgeht, machte schon vor knapp 100 Jahren auf die Probleme der Inflation aufmerksam.

Lenin soll erklärt haben, dass der beste Weg, das kapitalistische System zu zerstören, darin besteht, die Währung zu entwerten. Durch einen kontinuierlichen Inflationsprozess können die Regierungen heimlich und unbeobachtet einen großen Teil des Reichtums ihrer Bürger konfiszieren. Mit dieser Methode konfiszieren sie nicht nur, sondern sie konfiszieren willkürlich; und während der Prozess viele verarmen lässt, bereichert er tatsächlich einige wenige.
John Meynard Keynes in “Essays in Persuasion” 

Obwohl Keynes die negativen Verteilungseffekte der Inflation bewusst waren, sprach er sich interessanterweise für hohe Staatsausgaben, für einen lenkend in die Wirtschaft eingreifenden Staat und gegen den Goldstandard, den er als „barbarisches Relikt“ bezeichnete, aus. Da der einflussreiche Ökonom auch im Geheimen die Vertuschung des Kaufs von Kriegsanleihen durch die Bank of England in Rahmen des Ersten Weltkriegs (1914 – 1918) als „meisterhafte Manipulation“ bezeichnete, liegt nahe, dass es dem gebürtigen Briten generell wohl eher um die Enteignung der Bevölkerung zugunsten des Staates ging. 

Dass in einem inflationären Umfeld insbesondere die normalen Bürger leiden, welche sich dem Druck ausgesetzt sehen, kontinuierlich Gehaltserhöhungen auszuhandeln, um real gesehen nicht immer weniger zu verdienen, scheint den MMTlern kein großer Dorn im Auge zu sein. 

Außerdem ist es augenscheinlich so, dass eine höhere Inflation die Reichen immer reicher zu macht, da diese in aller Regel in Vermögenswerte investiert sind, welche in einem inflationärem Umfeld Auftrieb erhalten, da die Menschen darin vermehrt ihr Kapital parken, wenn der Geldwert schwindet. Auch profitieren Investoren, die einen leichten Zugang zu Krediten haben, davon, dass die Geldeinheiten – und somit ihre Schulden – an Wert verlieren.

Bitcoin ist Freiheit

Bitcoin als Geld würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Welt zur Folge haben, in der ein Staat quasi unmöglich zu stark in die Leben der Menschen und in die Wirtschaft eingreifen kann. Dafür würden schlichtweg die vielen Mittel fehlen, da die Staatsführer sich nicht das Geld auf Kosten der Allgemeinheit selbst drucken könnten.

Wenn wir Politiker haben wollen, die für uns politische Entscheidungen treffen, ja dann müssen die unser Geld bekommen. Dann muss ein Politiker gute Entscheidungen treffen, dann kriegt er mein Geld. Trifft er schlechte Entscheidungen, verzockt er mein Geld, dann hat er ein Mal Geld bekommen und dann nicht noch mal – dann ist er handlungsunfähig. Die Politik ist nur so lange immer weiter handlungsfähig, solange sie unendlich lange Geld drucken können, denn sie können euch einfach jede Kaufkraft vom Konto wegdrucken und damit handeln.
Blocktrainer-Gründer Roman Reher in einer Rede aus einem YouTube-Livestream

Im digitalen Zeitalter einen Staat zu haben, der das Geld kontrolliert, kann auch zu extremen Freiheitseinschränkungen führen. Vor allem, wenn Bürger direkt ihr Konto beim Staat haben, wie es mit digitalen Zentralbankwährungen, welche derzeit in der EU vorangetrieben werden, der Fall sein könnte. Theoretisch wäre dann möglich, dass die Staatsführer den Bürgern direkt Geld abbuchen, wenn sie nicht staatstreu sind oder ihnen vorschrieben, wofür sie ihr Geld auszugeben haben. Für diese potenziell bevorstehende Dystopie ist Bitcoin auch als ein nicht zu konfiszierendes, nicht kontrollierbares und zensurresistentes Geld eine Alternative.

Zusammenfassung

Würde sich die Menschheit auf ein freies Geld einigen, das kein Staat nach Belieben ausweiten kann, dann würde das den staatlichen Handlungsspielraum stark einschränken. Es könnten keine Kriege, aber auch keine Rettungspakete mehr finanziert werden.

Bitcoin wäre eine Katastrophe für uns. Wenn wir jetzt den Euro aufgeben und Bitcoin einführen, dann könnten wir uns Kriege nicht leisten, aber auch nicht den Krieg gegen den Klimawandel.
Maurice Höfgen, MMT-Vertreter, in einer TV-Runde

An dieser Stelle ist das aber ganz klar eine ideologische Frage. Ist man der Meinung, dass Staatseingriffe deutlich effizienzsteigernd sind und es demnach einen möglichst starken Staat geben sollte, dann ist ein Geldmonopol ein sehr effektives Tool, um dies zu erreichen. Wenn man hingegen überzeugt davon ist, dass staatliche Eingriffe der Wirtschaft und somit dem Wohlstand der Menschen schaden, dann gilt es ein Geldmonopol und die potenziell unbegrenzte Mittelbeschaffung des Staates zu fürchten. Mit der Skepsis diesbezüglich sind die Österreicher übrigens nicht allein.

Aus unserer Sicht ist die MMT ein riskantes ökonomisches Experiment. Es erhöht die Größe des Staates und dessen Rolle in der Wirtschaft, trotz der überwältigenden historischen Evidenz dafür, dass Regierungen dazu neigen, ein ineffizienterer Kapitalnutzer als der Privatsektor zu sein.
Die Großbank Morgan Stanley in einem Artikel über MMT

Für Verschwendungen von Staatsgeldern gibt es unzählige Beispiele. In Deutschland leistet der Bund der Steuerzahler mit seinem Schwarzbuch Aufklärung. Man kann zwar behaupten, dass das Geld nicht wirklich verschwendet sei, weil es ja bei jemandem landet, aber eine Brücke oder Straße zu bauen, die dann niemand nutzt, verbraucht natürlich Ressourcen wie Rohstoffe und Arbeitskraft, die an anderer Stelle Mehrwert für die Gesellschaft hätten schaffen können.

Und selbst wenn staatliche Eingriffe sich positiv auf die Wirtschaft auswirken würden, dann kann man dennoch eine Gefahr darin sehen, dass die Macht, die mit einem Geldmonopol einhergeht, irgendwann missbraucht werden könnte – etwa wenn die „falsche“ Partei an die Macht kommt.

Fazit

Im Endeffekt ist der Kern der Debatte zwischen MMTlern und Österreichern die Frage, ob zentrale Planer besser wissen, was das Richtige für die Wirtschaft ist als die Menschen selbst respektive der Markt, der das Ergebnis individuell handelnder Menschen ist. Das wäre nämlich die Voraussetzung für die MMT-Utopie. 

Es erscheint illusorisch, dass ein Staat genau so viel Geld erzeugt und in die richtigen Bahnen lenkt, sodass alle Ressourcen sinnvoll genutzt werden, aber die Wirtschaft nicht überhitzt und keine hohe Inflation entsteht. Es ist natürlich immer leicht zu behaupten, dass die zentrale Planung nur noch nicht gut genug war und einfach nur die richtigen Leute an das Ruder müssen.

Die Analyse der MMT zeigt richtigerweise, wozu ein Staat mit einem Geldmonopol in der Lage sein kann und verdeutlicht, dass unser Fiatgeld nie wirklich knapp ist. Um das aktuelle Finanzsystem zu verstehen, ist die MMT ein hilfreiches Tool. Einige Schlussfolgerungen und vor allem die politischen Empfehlungen der MMTler bleiben jedoch höchst fragwürdig – insbesondere die Analyse, dass die Ausweitung der Geldmenge nicht inflationär und Deflation dringend zu vermeiden sei.

Nicht jeder weiß aktuell, dass unser Geld aus dem Nichts geschöpft werden kann. Die MMT leistet dort Aufklärungsarbeit. Wenn dies aber wirklich allen klar wird, dann könnten die Forderungen der meist kaum ökonomisch gebildeten Bürger nach frischem Geld durch den Staat zunehmen. Dieses Problem erkennt sogar Klaus Schwab, Gründer und geschäftsführender Vorsitzender des Weltwirtschaftsforums.  

In den einfachsten möglichen (und in diesem Fall vereinfachten) Begriffen ausgedrückt, läuft die MMT folgendermaßen ab: Die Regierungen geben Schulden aus, die die Zentralbank kauft. Wenn sie diese niemals zurückverkauft, entspricht dies einer monetären Finanzierung: Das Defizit wird monetarisiert (indem die Zentralbank die von der Regierung ausgegebenen Anleihen kauft) und die Regierung kann das Geld nach eigenem Ermessen verwenden. Sie kann es z. B. metaphorisch aus Hubschraubern auf die Bedürftigen abwerfen. Die Idee ist verlockend und realisierbar, aber sie birgt ein großes Problem sozialer Erwartungen und politischer Kontrolle: Sobald die Bürger erkennen, dass Geld auf einem „magischen Geldbaum“ zu finden ist, werden gewählte Politiker unter heftigem und unerbittlichem öffentlichem Druck stehen, mehr und mehr Geld zu schaffen, und dann tritt das Problem der Inflation auf den Plan.
Klaus Schwab in “The Great Reset”

Ein potenzieller Ausgang ist auch, dass die Menschen gänzlich das Vertrauen in das Staatsgeld verlieren, insofern sie realisieren, dass dieses zu Kosten nahe null vom Staat aus dem Nichts geschöpft werden kann und dies auch so geschieht.

Wenn also die MMT-Vision Realität werden sollte, dann könnten eine Flucht aus dem Fiatgeld und eine Hyperinflation das System zum Scheitern bringen. Vor allem auch dann, wenn es eine nicht zu verbietende, wirklich knappe Alternative wie das Bitcoin-Netzwerk gibt.

Tristan

Über den Autor: Tristan

Tristan ist der Chefredakteur bei Blocktrainer.de. Als studierter Volkswirt sammelte er auch außerhalb des Bitcoin-Space journalistische Erfahrungen. Seit 2020 beschäftigt sich Tristan aktiv mit Bitcoin, in den Jahren zuvor schon mit libertärer Wirtschaftstheorie.

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