Am 23. Dezember hat ein Dokument in der Bitcoin-Community Aufsehen erregt. MicroStrategy, der größte Firmenhalter von Bitcoin, möchte die Aktionäre nach ihrem Einverständnis fragen, die maximale Anzahl an Aktien drastisch zu erhöhen – um mehr als den Faktor 30.

Da die Ausgabe neuer Aktien isoliert betrachtet die ausstehenden Aktien verwässert, machte sich unter Marktteilnehmern die Sorge breit, dass sich MicroStrategy mit dem Vorhaben in diesem Ausmaß jetzt übernimmt und eine Menge Aktionärswert vernichten wird. 

Doch was hat der geschäftsführende Vorsitzende Michael Saylor, der sich in dem Dokument an die Anteilseigner richtet, wirklich vor? Ist der MicroStrategy-Gründer jetzt größenwahnsinnig geworden oder ist es unabdingbar, um die Strategie weiter fortzusetzen?

11 Milliarden zusätzliche Aktien

Aus dem noch vorläufigen SEC-Filing geht hervor, dass MicroStrategy die Aktionäre bei einem noch nicht weiter spezifizierten Online-Meeting nach ihrer Zustimmung fragen wird, weitere Aktien auszugeben. 

Konkret soll die maximale Anzahl von Stammaktien von 330.000.000 auf 10.330.000.000 erhöht werden. Außerdem soll das Limit an Vorzugsaktien von 5.000.000 auf 1.005.000.000 steigen.

Info

Zum Stichtag des 23. Dezember waren insgesamt knapp 245 Millionen MicroStrategy-Aktien im Umlauf. Unter Berücksichtigung der Aktien, die unter anderem für die Tilgung der ausstehenden Wandelanleihen emittiert werden könnten, erreicht die Gesamtanzahl etwas mehr als 280 Millionen Aktien.

Diese Zahlen sorgten für einen Schock bei einigen Marktbeobachtern. Sogar das bekannte Anlegermagazin Barron's griff die Meldung auf und titelte: „MicroStrategy möchte genügend Aktien ausgeben können, um alle Bitcoin der Welt zu kaufen“. 

Die Rechnung dahinter: Die Anzahl an Aktien, um die das Limit erhöht werden soll, multipliziert mit dem derzeitigen Aktienkurs von MicroStrategy ergibt mehr als 3 Billionen US-Dollar – also mehr als die gesamte Marktkapitalisierung von Bitcoin.

Letztlich ist es aber selbstverständlich nicht möglich, alle Bitcoin aufzukaufen. Zum einen würde der Kurs des Assets bei einer solchen Kaufnachfrage in der Höhe schießen, was weitere Akquisitionen erschwert, und zum anderen gibt es „Hodler“, die selbst bei astronomischen Kursen wohl niemals alle ihre Bitcoin hergeben würden.

Ungeachtet dessen wird es MicroStrategy nur gelingen, so viel Kapital einzusammeln, wenn der Bitcoin-Kurs und damit der Börsenwert der Firma ins Unermessliche steigt, womit es im Umkehrschluss auch immer teurer werden würde, große Mengen an Bitcoin zu akquirieren.

Warum die Erhöhung?

Bei dem Tempo, in dem MicroStrategy derzeit neue Aktien ausgibt, um weitere Bitcoin zu kaufen, dürfte das bisherige Limit alsbald erreicht sein. Ergo muss zeitnah eine Erhöhung her, um die Strategie weiter fortführen zu können. Und dafür bedarf es des Einverständnisses der Aktionäre.

Die Anträge 1 und 2 für diese außerordentliche Hauptversammlung beantragen eine Erhöhung der genehmigten Anteile des Grundkapitals der Aktiengesellschaft, um die weitere Umsetzung unseres 21/21-Plans und zukünftige Kapitalmarktaktivitäten im Allgemeinen sowie andere Unternehmenszwecke zu unterstützen.
Aus dem SEC-Filing

Im Rahmen des „21/21-Plans“ verkündete MicroStrategy Ende Oktober, dass das Unternehmen in den kommenden drei Jahren für 21 Milliarden US-Dollar Aktien und für 21 Milliarden US-Dollar Wandelanleihen ausgeben möchte, um mit den Erlösen den Bitcoin-Bestand weiter auszubauen. 

Weniger als zwei Monate später hat MicroStrategy bereits für knapp 14 Milliarden US-Dollar Aktien und für 3 Milliarden US-Dollar Wandelanleihen emittiert und dadurch fast 200.000 zusätzliche BTC erworben. 

Entsprechend lag bereits früh die Vermutung nahe, dass der ursprüngliche „21/21-Plan“ längst überholt ist. In dem Filing betont das Unternehmen nun, dass es alles schneller ging, als initial geplant, was wohl primär an den günstigen Marktbedingungen lag.

[W]ir haben unseren 21/21-Plan deutlich schneller umgesetzt als ursprünglich erwartet.
Aus dem SEC-Filing

Dass MicroStrategy sich jetzt das Einverständnis einholen möchte, potenziell die Anzahl der Aktien um mehr als den Faktor 30 zu erhöhen, liegt in erster Linie daran, dass das Unternehmen immer dann so viele Unternehmensanteile ausgeben können möchte, wie es sich gerade anbietet, ohne immer wieder aufs Neue die Anteilseigner um Zustimmung zu bitten.

In dem Dokument heißt es nämlich, dass das Unternehmen um die Flexibilität bittet, „Kapital in einer Weise zu beschaffen, die unter den dann vorherrschenden Marktbedingungen am günstigsten ist“.

Hinzu kommt, dass sich MicroStrategy somit auch bei einem möglichen weiteren Aktiensplit die Möglichkeit einräumt, genügend weitere Aktien zu emittieren, ohne direkt wieder das Limit zu erreichen. Letztlich ist es auch der Plan der selbsternannten „Bitcoin Treasury Company“, den Bitcoin-Bestand unter anderem durch die Ausgabe von Aktien immer weiter auszubauen.

Die Strategie von MicroStrategy

Die offen kommunizierte Strategie von MicroStrategy ist es, so viele Bitcoin, wie nur möglich, zu akkumulieren. Dafür bedient sich das US-amerikanische Softwareunternehmen verschiedener Kapitalbeschaffungsmethoden. Denn die Erträge aus dem operativen Geschäft reichen bei Weitem nicht mehr aus, um den Bitcoin-Bestand merkbar zu erhöhen.

MicroStrategy gab bislang mehrfach neue Aktien aus, um Bitcoin zu kaufen. Wenn das Unternehmen eins zu eins mit dem Wert der Bitcoin auf der Bilanz bewertet wäre, wäre dies ein Nullsummenspiel. Da die Marktkapitalisierung von MicroStrategy jedoch konstant über dem Wert der Bitcoin auf der Bilanz liegt, kann das Unternehmen so Mehrwert generieren.

Aktuell sind die mittlerweile 444.262 BTC im Unternehmensbesitz etwas mehr als 40 Milliarden US-Dollar wert. MicroStrategy hat jedoch eine Marktkapitalisierung von circa 80 Milliarden US-Dollar, während das ursprüngliche Softwaregeschäft kaum ins Gewicht fällt. 

Dieser Umstand ermöglicht es MicroStrategy, den Bitcoin-Bestand stärker zu erhöhen als die Anzahl neuer Aktien. Anders gesagt: Die Ratio von BTC je Aktie, die sogenannte „BTC Yield“ steigt an, wenn das Unternehmen Aktien ausgibt, um mit den Erlösen Bitcoin zu kaufen. Alleine zwischen dem 1. Oktober und dem 22. Dezember lag die „BTC Yield“ bei 47,4 Prozent.

Diese Strategie sollte auch der primäre Grund sein, wieso Anleger in MicroStrategy investieren. Wenn sie einfach nur an dem Bitcoin-Kurs partizipieren wollen würden, könnten sie auch das Asset direkt oder Bitcoin-Spot-ETFs kaufen.

Die Risiken von MicroStrategy

Der Kauf von MicroStrategy-Aktien ist nicht nur eine Wette auf einen weiter steigenden Bitcoin-Kurs, sondern auch darauf, dass sich das Unternehmen nicht verzettelt beziehungsweise weiterhin die Kapitalmärkte smart für sich nutzt, um Aktionärswert zu schaffen. 

Die Ausgabe neuer Aktien geht aber mit keinerlei Verbindlichkeiten einher, die ein Risiko für die Solvenz des Unternehmens darstellen. Es sind lediglich mehr Unternehmensanteile im Umlauf.

Anders ist es bei den Wandelanleihen. Diese können zum Fälligkeitszeitpunkt nur mit neuen Unternehmensanteilen getilgt werden, wenn die Aktie ein bestimmtes Niveau erreicht.

Aktuell hat MicroStrategy circa 7 Milliarden US-Dollar an ausstehenden Schulden durch Wandelanleihen. Diese laufen aber über die kommenden sieben Jahre peu à peu aus. Außerdem steht die MicroStrategy-Aktie aktuell hoch genug, sodass MicroStrategy die Kreditgeber der meisten Anleihen auch in Aktien ausbezahlen kann, insofern der Kurs nicht deutlich einbricht.

Sollte aber der Bitcoin-Kurs und infolgedessen auch die Aktie des Unternehmens einen mehrjährigen Bärenmarkt erleben, so bestünde die Gefahr, dass MicroStrategy doch Kapital auftreiben muss, um die Schulden zu tilgen.

Wenn dies dem Unternehmen dann bei einem niedrigen Bitcoin-Kurs nicht möglich ist, über die Ausgabe neuer Aktien oder Wandelanleihen zu tun, müsste MicroStrategy gegebenenfalls die Bitcoin veräußern, wodurch sich eine Negativspirale in Gang setzen könnte.

Das „Worst-Case-Szenario“ wäre also: Der Bitcoin-Kurs fällt um 90 Prozent oder mehr und verharrt jahrelang auf diesem Niveau. Die Bitcoin auf der Bilanz wären dann weniger als 4 Milliarden US-Dollar wert und das Premium der Unternehmensbewertung zu den Bitcoin schwindet dahin und niemand möchte MicroStrategy mehr Geld leihen – auch nicht über Wandelanleihen.

Dann müsste das Unternehmen die Bitcoin verkaufen, um die ausstehenden Wandelanleihen begleichen zu können, was jedoch nicht genügen würde. Das Unternehmen wäre effektiv zahlungsunfähig und müsste die Pforten schließen. Selbst wenn Bitcoin sich dann in den Jahren darauf wieder erholen sollte, würde die MicroStrategy-Aktie wertlos ausgebucht werden.

Auch wenn dieses Szenario aktuell unwahrscheinlich wirkt, ist es eine potenzielle Gefahr, der sich die Aktionäre bewusst sein sollten – Neben den Risiken, dass MicroStrategy künftig falsche Entscheidungen trifft, die Bitcoin des Unternehmens verloren gehen oder der Staat diese konfisziert.

Als größter Firmenhalter von Bitcoin, der auch in den kommenden Jahren einen signifikanten Anteil der Kaufnachfrage ausmachen dürfte und weitere Unternehmen zum Nachahmen animieren könnte, ist die Entwicklung von MicroStrategy für die von Bitcoin nicht zu unterschätzen.

Bitcoin würde aber einen Kollaps von MicroStrategy überleben, selbst wenn ein Verkaufsdruck von mehr als 400.000 BTC das Potenzial hätte, den Bitcoin-Kurs ordentlich nach unten zu drücken.

Kein Grund zur Sorge?

Normalerweise ist eine Kapitalerhöhung, also die Mittelbeschaffung durch die Ausgabe neuer Aktien, eher negativ zu werten. Denn dann teilt sich die Marktkapitalisierung auf insgesamt mehr Aktien auf, womit die zuvor ausstehenden Unternehmensanteile verwässert werden.

In der Regel reagieren Aktien entsprechend negativ, wenn eine Kapitalerhöhung im Raum steht. Doch das, was den Unterschied macht, ist, wofür das dadurch eingesammelte Kapital letztlich eingesetzt wird.

Bei MicroStrategy ist es Teil der Kernstrategie, neue Unternehmensanteile zu emittieren und mit den Erlösen Bitcoin zu kaufen und dadurch die „BTC Yield“ zu steigern. Entsprechend sollte es im Interesse der Aktionäre sein, dass es so weitergehen kann.

Außerdem wird MicroStrategy mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht unbedacht in der nahen Zukunft Milliarden von Aktien in Umlauf bringen, sondern über einen längeren Zeitraum – und auch nur dann, wenn es sich wirklich anbietet. Es gibt also vorerst keinen Grund anzunehmen, dass Michael Saylor größenwahnsinnig geworden ist und das Unternehmen vor die Wand fährt.

Die Ausgabe neuer Aktien ist zudem unbedenklich für die Solvenz des Unternehmens. Unter dem Strich möchte MicroStrategy also lediglich mit der Strategie, die bislang so viel Mehrwert geschaffen hat, weiter fortfahren.

Dass die angedachte Erhöhung des Limits so astronomisch hoch ausfällt, scheint daran zu liegen, dass MicroStrategy für die kommenden Jahre genügend Spielraum haben möchte – auch im Falle eines Aktiensplits. Zu diesem Fazit kommt auch der geschätzte Bitcoin-Analyst Dylan LeClair in einem ausführlichen Post.

Es ist absolut unsinnig, sich über die Erhöhung der genehmigten Aktien aufzuregen. [...] Alles, was Saylor und das MSTR-Treasury-Team tun, ist auf den Nutzen für die Aktionäre ausgerichtet. [...] Der Höchstwert für die Anzahl der genehmigten Aktien ist ein Limit, dessen Anhebung die Aktionäre zustimmen müssen. Viele öffentliche Unternehmen in den USA haben eine enorme Anzahl an autorisierten Aktien, so dass sie nie eine weitere außerordentliche Aktionärsversammlung einberufen müssen, um über eine Erhöhung abzustimmen. Es geht einfach um Flexibilität. [...] Es gibt dem Vorstand einfach Flexibilität und Spielraum. Es ist durchaus sinnvoll, die Anzahl der Aktien einmal zu erhöhen und sich dann nicht mehr darum kümmern zu müssen. [...] Wenn es den BTC-Wert pro Aktie nicht erhöht, wird das Treasury-Team es nicht weiter verfolgen. Genau darum geht es bei der Meldung des Indikators der BTC Yield. Wenn ihr euch über den wertsteigernden Charakter des MSTR-Kapitalplans ärgert, müsst ihr entweder euren Zeithorizont erweitern, oder ihr seid in der falschen Branche. Hier ist eine einfache Idee: Lasst Saylor machen.
Dylan LeClair auf 𝕏

MicroStrategy-Aktionäre scheinen momentan besorgt zu sein, weil die Aktie in den vergangenen Wochen schlechter performt hat als Bitcoin. MSTR handelt aktuell rund 40 Prozent vom Allzeithoch entfernt, während es bei Bitcoin nur circa 12,5 Prozent sind. Zu der Enttäuschung könnte zudem beigetragen haben, dass sich die Aufnahme von MicroStrategy in den Aktienindex Nasdaq 100 bislang nicht positiv im Kurs bemerkbar gemacht hat.

Doch seit Jahresauftakt konnte MicroStrategy um 376 Prozent zulegen, während Bitcoin „nur“ um 124 Prozent gestiegen ist. Eine stärkere Korrektur ist unter diesen Umständen nichts Ungewöhnliches und könnte auch auf Gewinnmitnahmen zum Jahresende zurückzuführen sein.

Der Grund für die jüngste Underperformance gegenüber Bitcoin dürfte zudem weniger daran liegen, dass MicroStrategy zu viele Aktien ausgegeben hat, sondern vielmehr daran, dass das Premium der Marktkapitalisierung von MicroStrategy gegenüber den Bitcoin auf der Bilanz zurückgelaufen ist – und zwar wieder auf den Wert aus dem Sommer dieses Jahres. 

In erster Linie war es also so, dass es eine Übertreibung im Aktienkurs gab, die sich jetzt wieder normalisiert hat. Und MicroStrategy hat diese Übertreibung sinnvoll genutzt, um viele Aktien zu einer hohen Bewertung auszugeben. 

Trotz des vielversprechenden Ansatzes, den MicroStrategy verfolgt, und den positiven Aussichten für Bitcoin, ist und bleibt die Aktie ein Hochrisikoinvestment, das unter anderem aufgrund der hohen Volatilität noch weniger etwas für schwache Nerven ist als Bitcoin selbst.

Tristan

Über den Autor: Tristan

Tristan ist der Chefredakteur bei Blocktrainer.de. Als studierter Volkswirt sammelte er auch außerhalb des Bitcoin-Space journalistische Erfahrungen. Seit 2020 beschäftigt sich Tristan aktiv mit Bitcoin, in den Jahren zuvor schon mit libertärer Wirtschaftstheorie.

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