Die Federal Reserve von Minneapolis, eine der zwölf Banken des US-amerikanischen Federal Reserve Systems, hat ein neues Paper zu Bitcoin veröffentlicht. In dieser wissenschaftlichen Arbeit untersuchen die Autoren, inwiefern Bitcoin dem Staat die Möglichkeit nehmen kann, konstant mehr Geld auszugeben als einzunehmen.

Um dagegen vorzugehen, stellen sie Steuern und sogar ein Verbot in den Raum.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein gesetzliches Verbot von Bitcoin oder eine Steuer auf Bitcoin Formen der finanziellen Repression sind, die nützlich sein können, wenn die Möglichkeiten der Regierung, Konsumsteuern einzusetzen, begrenzt sind.
Aus dem Paper

Kurz nachdem Mitarbeiter der Europäischen Zentralbank in einem Paper konkludierten, dass Nicht-Bitcoin-Halter gegen Bitcoin vorgehen sollten, weil diese angeblich bei immer weiter steigenden Kursen relativ gesehen verarmen, gibt es jetzt auch besorgniserregende Töne aus dem Hause der US-Zentralbank (Fed).

„Einzigartige Implementierung von permanenten Primärdefiziten?“

Das Working Paper der Federal Reserve von Minneapolis mit dem Titel „Unique Implementation of Permanent Primary Deficits?” (z. Dt. „Einzigartige Implementierung von permanenten Primärdefiziten?“) ist am 16. Oktober erschienen. Verfasst haben es Research-Analyst Amol Amol und der Gastwissenschaftler Erzo G. J. Luttmer. Beide Ökonomen arbeiten für die University of Minnesota und die Minneapolis Fed.

Info

Primärdefizite, um die es in dem Paper geht, sind Haushaltsdefizite des Staates abzüglich der Zinskosten auf die bisherige Schuldenlast. In diesem Jahr zahlen die USA bereits mehr als eine Billion US-Dollar an Zinsen auf den knapp 36 Billionen US-Dollar schweren Schuldenberg. Und selbst ohne die Zinskosten würde es den USA nicht gelingen, mehr Geld einzunehmen als auszugeben – eine Besserung der Situation ist zudem nicht in Sicht.

Fährt ein Staat ein chronisches Defizit, so muss er sich das für die Staatsausgaben nötige Geld über Staatsanleihen, also die Schuldenaufnahme, beschaffen. Diese Schuldpapiere können Entitäten kaufen, die somit dem Staat Geld leihen und dafür mit Zinsen vergütet werden. Damit ein Staat leicht Schulden aufnehmen kann, ist es wichtig, dass die Staatswährung sowie die Staatsanleihen als attraktives Finanzinstrument wahrgenommen werden. Bleibt die Nachfrage nach den Staatsanleihen aus, so springt meist die eigene Zentralbank ein, indem sie über Umwege die Wertpapiere mit neu erschaffenem Geld kauft. Dies war in der Vergangenheit insbesondere dann zu beobachten, wenn Staaten das Geld für die Kriegsführung ausging.

Die Autoren behandeln anhand einer Modellökonomie, wie Bitcoin es der Regierung schwer machen kann, konstant mehr Geld auszugeben als einzunehmen. 

Bitcoin steht hierbei aber als eine Metapher für eine Alternative zu den „risikolosen“ Staatsanleihen, die keine Dividende zahlt. In dem Paper wird Bitcoin auch synonym für „wertloses Papier“ verwendet.

Wir verwenden Bitcoin als Metapher für eine Wertanlage des privaten Sektors, die in festem Bestand ist und keinen Anspruch auf reale Ressourcen darstellt. 
Aus dem Paper 

Und diese Alternative kann, so die Autoren, dazu führen, dass „die Regierung trotz der Absicht, Defizite zu machen, gezwungen sein kann, den Haushalt in einigen stabilen Phasen auszugleichen“. 

Letztlich kommen die Autoren zu dem Fazit, dass der Staat auch trotz „Blasen-Assets des Privatsektors“ wie Bitcoin in der Lage ist, dauerhafte Primärdefizite zu betreiben – und zwar dann, wenn er zu politischen Maßnahmen wie Steuern greift. Ein Verbot sei für dieses Ziel nicht zwingend notwendig, erklären die Autoren.

Ein völliges Verbot ist nicht erforderlich, wenn der Staat das private Blasenvermögen mit einem Steuersatz von – (r – g) > 0 besteuern kann.
Aus dem Paper

Die Bitcoin-Steuer müsste also die Lücke schließen, die durch die Differenz zwischen der Rendite auf Staatsanleihen (r) und dem Wirtschaftswachstum (g) entsteht, damit laut dem Modell ein Verbot nicht vonnöten sei.

Zentralbanken wieder in Angriffslaune

Auch wenn das Paper der Federal Reserve von Minneapolis ein nicht ganz so direkter Angriff gegen Bitcoin ist, wie das der EZB-Mitarbeiter Bindseil und Schaaf, lässt es tief blicken. Letztlich machen sie darauf aufmerksam, dass Bitcoin Staatshaushalte disziplinieren könnte – auch wenn das generell sicherlich nicht als positiv von den Geldhütern eingeordnet wird.

Chef der Minneapolis Fed ist kein Geringerer als Neel Kashkari. Dieser dürfte in Bitcoin-Kreisen für seine Aussage „Es gibt eine unendliche Menge an Cash bei der Federal Reserve“ bekannt sein. Kashkari ist zudem ein bekennender Bitcoin-Kritiker. Im April dieses Jahres betonte er, dass das Asset keinen legitimen Nutzen habe.

Bitcoin gibt es seit mehr als einem Jahrzehnt, und mehr als ein Jahrzehnt später gibt es immer noch keinen legitimen Anwendungsfall in einer fortgeschrittenen Demokratie.
Neel Kashkari

Vielleicht ist einer der Nutzen von Bitcoin genau das, was Kashkaris Mitarbeiter in ihrem Paper feststellen. Bitcoin ist eine Alternative zu Fiatwährungen beziehungsweise zu den in diesen denominierten Staatsanleihen, die Staaten dazu bringen kann, effizienter mit den Steuergeldern zu wirtschaften. Satoshi Nakamotos Kreation ist eben dafür da, den Menschen ein anderes Geld zu geben, das keine zentrale Entität auf Kosten der Geldnutzer kontrollieren und inflationieren kann. Übergriffige Staaten, wie wir sie heute kennen, wären mit Bitcoin als Geld der Welt wohl ein Relikt der Vergangenheit.

Hohe Bitcoin-Steuern, die indirekt von den Geldhütern gefordert werden, können nichtsdestotrotz dafür sorgen, dass es deutlich weniger attraktiv wird, das Asset zu halten. Das Design von Bitcoin lässt es theoretisch aber zu, ein Land mit einer für sie nachteiligen Rechtslage mit dem privaten Schlüssel zu ihren Bitcoin im Kopf zu verlassen und sich dort niederzulassen, wo die Regierung ihnen freundlicher gesinnt ist.

Ob die Ergebnisse des Papers dafür sorgen, dass höhere Steuern oder gar ein Verbot wieder auf der großen Bühne diskutiert werden, gilt es abzuwarten. Generell sind in der politischen Landschaft momentan nämlich eher positive Entwicklungen bezüglich Bitcoin wahrnehmbar. So setzt etwa der derzeit laut den Wettmärkten wahrscheinlich nächste US-Präsident in seinem Wahlkampf auf Bitcoin. Auch versprach der Politiker Robert F. Kennedy Jr., der erst selbst Präsident werden wollte und jetzt Trump unterstützt, die Kapitalertragssteuer auf Bitcoin zu erlassen – Blocktrainer.de berichtete. Und sogar in Japan kündigte der Vorsitzende der Oppositionspartei DPP an, dass er die Steuern auf Krypto-Gewinne deutlich reduzieren werde – auf 20 Prozent.

Es dürfte spannend zu beobachten sein, ob Bitcoin in Gesellschaft und Politik verbreitet genug ist, damit Bemühungen nach nachteiligen Gesetzen und Regulierungen im Keim ersticken. Selbst wenn große Volkswirtschaften höhere Bitcoin-Steuern erheben und gar Verbote aussprechen, wird Satoshi Nakamotos Kreation dadurch nicht wieder aus der Welt zu bekommen sein.

Tristan

Über den Autor: Tristan

Tristan ist der Chefredakteur bei Blocktrainer.de. Als studierter Volkswirt sammelte er auch außerhalb des Bitcoin-Space journalistische Erfahrungen. Seit 2020 beschäftigt sich Tristan aktiv mit Bitcoin, in den Jahren zuvor schon mit libertärer Wirtschaftstheorie.

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