In den vergangenen Tagen hat sich die Sorge verbreitet, die Europäische Union (EU) würde Bitcoin für illegal erklären oder sogar die Löschung der Blockchain fordern. Was hat es damit auf sich, und ist es wirklich vorstellbar, dass ein Bitcoin-Verbot auf EU-Ebene kommt?

Im April dieses Jahres hat der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) einen Leitlinienentwurf für den Umgang mit der Blockchain-Technologie im Kontext des Datenschutzes vorgestellt.

Dieser fokussiert sich auf potenzielle Problematiken, die sich aus dem Zusammenspiel personenbezogener Daten und der Blockchain-Technologie ergeben. Die Datenschutzrechte sehen nämlich unter anderem vor, dass Personen ein Recht auf die Löschung ihrer Daten haben. Dies kann im Konflikt mit der Blockchain-Technologie stehen, da der primäre Anwendungsfall unveränderbare Datenstände sind.

In dem EDSA-Entwurf heißt es entsprechend, dass personenbezogene Daten möglichst nicht auf der Blockchain gespeichert werden sollen, wenn dies gegen Datenschutzgrundsätze verstößt. Außerdem gelten strenge Anforderungen: Die Daten müssen anonymisiert oder gelöscht werden, wenn diese nicht mehr gebraucht werden.

Generell sollte die Speicherung personenbezogener Daten auf einer Blockchain vermieden werden, wenn dies mit den Grundsätzen des Datenschutzes kollidiert.
Aus dem Leitlinienentwurf

Sie müssen eine Aufbewahrungsfrist festlegen, die bestimmt, wie lange personenbezogene Daten aufbewahrt werden sollen. Nach Ablauf dieser Frist müssen Sie die Daten löschen oder anonymisieren. Wenn Sie planen, die Daten für die gesamte Lebensdauer der Blockchain aufzubewahren, sollten Sie klar angeben, warum dies notwendig ist, und Ihre Gründe dafür dokumentieren.
Aus der Zusammenfassung des Leitlinienentwurfs

Die Leitlinien betonen zudem die Notwendigkeit, Datenschutz durch Technikgestaltung von Beginn an zu berücksichtigen, also dass Blockchain-Systeme technisch so konzipiert werden, dass der Schutz personenbezogener Daten gewährleistet werden kann. Eine Empfehlung: personenbezogene Daten off-chain zu speichern.

Implikationen für Bitcoin

Adressat der EDSA-Leitlinien sind Unternehmen und Behörden, die personenbezogene Daten mittels Blockchain-Technologie verarbeiten – also etwa Identitäts- oder Vertragsdaten.

Dennoch stellt sich die Frage, welche Implikationen dies für Bitcoin, die bekannteste Anwendung der Blockchain-Technologie, haben könnte. Laut dem EDSA-Entwurf sind öffentliche Schlüssel nämlich personenbezogene Daten, wenn diese einer Person zugeordnet werden können.

Jeder Nutzer, der an einer Transaktion teilnimmt, kann beispielsweise mit einer Kennung verbunden sein, die aus einer Reihe alphanumerischer Zeichen besteht, die zufällig erscheinen und einen öffentlichen Schlüssel darstellen, der von einem privaten Schlüssel abgeleitet ist, der dem Nutzer bekannt ist. Handelt es sich bei dem Nutzer um eine natürliche Person und können diese öffentlichen Schlüssel zur Identifizierung der Personen mit Mitteln verwendet werden, die nach vernünftigem Ermessen, z. B. im Falle einer Datenpanne, eingesetzt werden können, dann gelten diese Kennungen als personenbezogene Daten.
Aus dem Leitlinienentwurf

An anderer Stelle in dem Entwurf heißt es, dass „technische Unmöglichkeit nicht als Rechtfertigung für Nichteinhaltung der Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung angeführt werden kann“. Zudem kann es erforderlich sein, die gesamte Blockchain zu löschen, wenn diese nicht kompatibel mit dem Datenschutz ist.

Das Löschen von Daten auf individueller Ebene in einer Blockchain kann eine Herausforderung darstellen und erfordert ad-hoc entwickelte Architekturen. Wenn die Löschung nicht von vornherein berücksichtigt wurde, kann es erforderlich sein, die gesamte Blockchain zu löschen.
Aus dem Leitlinienentwurf

Eine Löschung von Daten in der Bitcoin-Blockchain ist aufgrund des dezentralen Charakters selbstverständlich nicht möglich. Datenschutzrechtlich wäre entsprechend eine Anonymisierung wünschenswert – doch technische Verschleierung wie durch Mixer steht im Konflikt mit EU-Vorgaben zur Geldwäscheprävention.

Alexandre Stachtchenko, Chief Strategy Officer des Krypto-Dienstleisters Paymium, hat bereits Anfang Mai auf dieses vermeintliche Problem aufmerksam gemacht und dabei betont, dass Bitcoin deshalb für illegal erklärt werden könnte. Das Medium Bitcoin News griff das Thema vergangene Woche auf und titelte: „Warnung: Europa könnte Bitcoin unwiderruflich illegal machen“. Daraufhin verbreiteten sich die Sorgen vor einem Bitcoin-Verbot in der EU.

Droht die Illegalisierung von Bitcoin?

Aus dem Leitlinienentwurf abzuleiten, dass Bitcoin in der EU illegalisiert werden könnte, erscheint weit hergeholt. Dieser richtet sich nämlich an Unternehmen und Behörden, die zentralisierte Blockchain-Lösungen bereitstellen wollen. Außerdem sieht die EU-Verordnung für Kryptowährungen, Markets in Crypto-Assets Regulation (MiCAR), keine Illegalisierung Bitcoins, geschweige denn eine Forderung zur Löschung vor.

Die im Entwurf erwähnte Möglichkeit, eine gesamte Blockchain löschen zu müssen, ist ein theoretisches Szenario und bezieht sich auf zentralisierte Blockchains. Bei öffentlichen, dezentralen Blockchains wie Bitcoin ist das faktisch nicht umsetzbar – und es wird auch nicht explizit gefordert.

Selbst wenn die EU oft mit Regulierungen vorprescht, ohne die Implikationen davon zu berücksichtigen, scheint es nicht im Sinne der Beamten zu sein, mit diesen Leitlinien Bitcoin und Co. zu verändern oder anzugreifen. 

Für Bitcoin-Nutzer wird sich durch den Leitlinienentwurf aller Voraussicht nach nichts ändern. Allerdings könnten Krypto-Dienstleister künftig strengere Vorgaben zur Datenverarbeitung erfüllen müssen – insbesondere, wenn sie personenbezogene Daten mit Blockchain-Adressen verknüpfen.

Die Leitlinien sind bislang lediglich ein Entwurf, der sich in öffentlicher Konsultation befindet. Bis heute holt sich der EDSA noch Feedback bei der Öffentlichkeit ein. Der Entwurf stellt also bislang kein verbindliches Regelwerk dar, sondern bietet einen rechtlichen Interpretationsrahmen für die Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Kontext von Blockchain-Technologien.

Tristan

Über den Autor: Tristan

Tristan ist der Chefredakteur bei Blocktrainer.de. Als studierter Volkswirt sammelte er auch außerhalb des Bitcoin-Space journalistische Erfahrungen. Seit 2020 beschäftigt sich Tristan aktiv mit Bitcoin, in den Jahren zuvor schon mit libertärer Wirtschaftstheorie.

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