Der Bitcoin-Kurs ist heute auf circa 103.500 US-Dollar und damit auf das tiefste Niveau seit Ende Juni gefallen. Was sind die Gründe für die derzeitige Kursschwäche?

Vor weniger als zwei Wochen erreichte Bitcoin noch ein neues Allzeithoch von knapp 126.300 US-Dollar. Der Oktober, der Monat mit der höchsten Medianrendite für das Asset, begann mit einem regelrechten Kursfeuerwerk. Stand jetzt ist BTC im sogenannten „Uptober“ jedoch ordentlich im Minus. Damit könnte es der erste Oktober seit 2018 werden, in dem BTC fällt.

Im Tief handelte Bitcoin heute rund 18 Prozent unter dem Höchststand. Damit kostete ein BTC heute so viel wie das letzte Mal am 23. Juni dieses Jahres.

Das alles passiert, während der Goldkurs Rekordstände verzeichnet und die Aktienmärkte nur knapp unter dem Allzeithoch notieren. Woran liegt diese auffallende relative Schwäche von Bitcoin?

Nachwehen des Flash-Crashs

Am Freitag vergangener Woche gab es das größte Liquidierungsevent in der gesamten Krypto-Geschichte. Laut der Analysefirma Coinglass wurden innerhalb von 24 Stunden mehr als 19 Milliarden US-Dollar aus dem Markt gespült. Im Rahmen dieses Flash-Crashs, der durch das Wiederaufflammen des Handelskriegs zwischen den USA und China ausgelöst wurde, fiel der Kurs um mehr als 12 Prozent auf unter 107.000 US-Dollar. Heute unterschritt BTC schließlich diesen Tiefststand.

Möglich ist, dass einige Marktteilnehmer, die gehofft hatten, der Krypto-Markt sei nicht mehr so anfällig für derartige Crashs, nun der Anlageklasse enttäuscht den Rücken zukehren. Institutionelle Anleger setzen einen großen Wert darauf, Risiken kontrollieren zu können. Und wenn Bitcoin binnen weniger Stunden um mehr als 12 Prozent abrauscht – bei den Altcoins war es zum Teil ein Vielfaches davon –, schreckt es sie womöglich ab.

Dieser Umstand könnte erklären, wieso die Erholung im Krypto-Markt nach dem Abverkauf vor einer Woche deutlich verhaltener ausgefallen ist als an den Aktienmärkten. Hinzu kommt, dass potenziell mehrere größere Marktteilnehmer aufgrund des Liquidierungsevents ins Straucheln geraten sind und nur Teile ihres restlichen Portfolios auflösen müssen, um Geld aufzutreiben. Ähnliches war im Bitcoin-Bärenmarkt 2022 zu beobachten.

Wenn spekulative Anleger aus dem Krypto-Markt gespült werden, ist es jedoch nichts, was Bitcoin-Halter allzu sehr verunsichern sollte. Auch wenn es vorübergehend eine abschreckende Wirkung haben kann, zeigt das phänomenale Comeback nach dem FTX-Crash und den anderen Verwerfungen im Jahr 2022, dass diese Zeiten auch große Chancen für langfristig orientierte Anleger bieten.

Neue Regionalbankenkrise bahnt sich an

Der Grund für die Kursschwäche am heutigen Tag dürften aber die Sorgen vor einer neuen Regionalbankenkrise in den USA sein.

Im Rahmen der Berichtssaison verkündete die Zions Bank aus Utah am Mittwoch, dass sie Falschangaben und Vertragsverletzungen im Zusammenhang mit zwei Kreditnehmern festgestellt habe und deshalb einen Kreditausfall in Höhe von 60 Millionen US-Dollar verbuchen musste.

Die Western Alliance aus Arizona teilte am Donnerstag mit, wegen eines Betrugsfalls Klage eingereicht zu haben. Das Institut möchte laut einem Bericht der Financial Times 100 Millionen US-Dollar zurückfordern. Papiere zu den Sicherheiten sollen gefälscht beziehungsweise Sicherheiten wohl mehrfach eingereicht worden sein.

Die Aktienkurse der beiden Regionalbanken haben in den vergangenen Tagen entsprechend deutlich nachgegeben – um 15 respektive fast 20 Prozent.

Auch wenn es um vergleichsweise überschaubare Beträge geht, sorgen diese Nachrichten an den Kapitalmärkten für Angst vor einer neuen Bankenkrise. Denn wenn ein Institut umkippen sollte, geht dies meist mit weiteren Verwerfungen einher. Außerdem signalisieren die Kreditausfälle potenziell weitreichendere wirtschaftliche Probleme.

Die Insolvenzen des Autoteileherstellers First Brands und des Autofinanzierers Tricolor, die in den vergangenen Tagen Wellen geschlagen haben, deuten einige Marktteilnehmer als Vorboten einer größeren Verwerfung – und in dieser Annahme fühlen sie sich bestärkt, seitdem die Zions Bank und Western Alliance in Schieflage geraten sind.

Jamie Dimon, CEO von JPMorgan, äußerte sich zu den sich anbahnenden Problemen in der Wirtschaft in dieser Woche mit den Worten:

Ich sollte das vermutlich nicht sagen. Aber wo eine Kakerlake ist, da gibt es wahrscheinlich noch mehr. […] Jeder sollte jetzt vorgewarnt sein.
Jamie Dimon

First Brands und Tricolor waren stark verschuldet – auch über direkte Bankenkredite. JPMorgan selbst musste einen Verlust in Höhe von 170 Millionen US-Dollar im Zusammenhang mit Tricolor verbuchen. Firmenpleiten dieser Art haben das Potenzial, den gesamten Bankensektor weiter unter Druck zu bringen.

Im Frühjahr 2023 kollabierten bereits mehrere Regionalbanken. Damals war der Grund jedoch ein anderer: Nachdem die Zinsanhebungen der Federal Reserve die Institute, die viele langlaufende Staatsanleihen gehalten hatten, auf dem falschen Fuß erwischten, zogen Kunden ihre Bankeinlagen ab.

Drei größere Regionalbanken – Signature Bank, Silicon Valley Bank und First Republic Bank – mussten die Pforten schließen. Auch dieses Mal wäre grundsätzlich möglich, dass die Kunden aus Panik ihr Geld abheben werden, wodurch sich dann erst eine richtige Bankenkrise entwickeln kann.

Bei der Regionalbankenkrise im Jahr 2023 brach der Bitcoin-Kurs ebenfalls kurzfristig ein, konnte sich aber umso stärker danach wieder erholen.

Die Gründe für diese Kursreaktion: Bitcoin ist ein Asset außerhalb des traditionellen Finanzsystems, bei dem es kein Kontrahentenrisiko gibt, und die geldpolitische Reaktion auf solche Krisen ist meist die Öffnung der Liquiditätsschleusen, wovon Bitcoin in aller Regel profitieren kann.

Wie sich die potenzielle Bankenkrise weiter ausspielen wird, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch unklar. Da es sich bislang um das Versagen einzelner Institute handelt, wird die US-Zentralbank womöglich erst eingreifen, wenn wirklich systemische Risiken drohen.

Ob es so weit kommen wird, muss jedoch die Zukunft zeigen. Am heutigen Freitag, als die Sorge vor einer neuen Regionalbankenkrise die Kapitalmärkte vorbörslich unter Druck brachte, betonten jedoch einige Analysten, dass die Panik wohl unbegründet sei.

Kein „sicherer Hafen“?

Da Bitcoin im Zuge dieser Turbulenzen, zu denen der seit mehr als zwei Wochen anhaltende Shutdown der USA hinzukommt, unter dem Strich nun doch nicht profitieren kann, scheint das Narrativ des „sicheren Hafens“ zu bröckeln. 

Das Krisenmetall Gold, mit dem Bitcoin oft verglichen wird, steigt zeitgleich nämlich von Allzeithoch zu Allzeithoch – auch wenn am heutigen Tag seit längerer Zeit mal wieder eine nennenswerte Korrektur einsetzte.

Vor circa zwei Wochen war noch das Narrativ, dass sowohl Bitcoin als auch Gold derzeit vom sogenannten „Debasement Trade“ profitieren würden. Bei dem „Debasement Trade“ geht es darum, dass sich Anleger mit „harten Assets“ vor der antizipierten Geldentwertung, die aufgrund der ausufernden Staatsschulden und bevorstehenden Zinssenkungen Fahrt aufnehmen dürfte, schützen.

Obwohl sich Bitcoin in den vergangenen Monaten dem gelben Metall geschlagen geben musste, ist es auf größere Perioden betrachtet das Asset, das den deutlich besseren Inflationsschutz darstellt.

Auf 1-Jahres-Sicht sind Bitcoin und Gold inzwischen gleichauf – über die vergangenen 5 Jahre erwirtschaftete BTC hingegen ein Vielfaches der Rendite des Edelmetalls.

Wie sich das „digitale Gold“ in den kommenden Jahren gegenüber dem Edelmetall schlagen wird, wird die Zukunft zeigen. 

Unter dem Strich ist eins klar: Bitcoin ist trotz der zunehmenden Reife immer noch ein sehr volatiles Asset, das in Krisensituationen unter Druck geraten kann.

Korrekturen von circa 30 Prozent sind in selbst Bullenmärkten aber ohnehin eher die Norm als die Ausnahme. Demnach sollte in die derzeitige Kursschwäche der bedeutendsten Kryptowährung nicht allzu viel hineininterpretiert werden – geschweige denn fundamentale Sorgen aufkommen.

Tristan

Über den Autor: Tristan

Tristan ist der Chefredakteur bei Blocktrainer.de. Als studierter Volkswirt sammelte er auch außerhalb des Bitcoin-Space journalistische Erfahrungen. Seit 2020 beschäftigt sich Tristan aktiv mit Bitcoin, in den Jahren zuvor schon mit libertärer Wirtschaftstheorie.

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