Am Freitag vergangener Woche war es schließlich so weit. Die Wallet des Bundeskriminalamts (BKA) wurde restlos geleert. Deutschland beziehungsweise das Bundesland Sachsen hat die knapp 50.000 Bitcoin, welche sächsische Behörden im Rahmen des Prozesses gegen die Betreiber des illegalen Filme-Streaming-Dienstes „movie2k“ sichergestellt haben, verkauft. Auch wenn es bis dato keine offizielle Stellungnahme zu den Veräußerungen gab, waren die Transaktionen über die Bitcoin-Blockchain offen einsehbar.

Gestern hat sich die für den Prozess zuständige Generalstaatsanwaltschaft Dresden schließlich zu den abgeschlossenen Verkäufen geäußert. 2.639.683.413,92 Euro sind hierbei eigenen Angaben zufolge zusammengekommen. Auch über die Verkaufsstrategie und die Verwendung der Mittel gibt es endlich Informationen.

Was mit den 2,6 Milliarden Euro passiert

Aus der offiziellen Pressemitteilung vom 16. Juli 2024 geht hervor, dass die „49.858 Bitcoins zwischen dem 19. Juni 2024 und dem 12. Juli 2024 mit Unterstützung des Bundeskriminalamtes“ veräußert wurden. Dies war bereits durch die Transaktionen der „BKA-Wallet“ nachvollziehbar, jedoch waren die Empfänger zum Teil nicht identifizierbar und es war umstritten, ob es sich bei jedem Bitcoin-Transfer tatsächlich um Verkäufe handelte – dies ist jetzt jedoch geklärt.

Was mit den Erlösen passiert, ist weiterhin unklar. Die mehr als 2,6 Milliarden Euro seien „weiterhin nur vorläufig für das Strafverfahren zum Komplex „movie2k“ beim Landgericht Leipzig gesichert“. Weiter heißt es: „Es ist derzeit nicht vorhersehbar, wann eine Entscheidung durch das zuständige Gericht zur Einziehung getroffen und diese rechtskräftig wird.“ 

Im Raum stand in den vergangenen Wochen, dass durch „movie2k“ geschädigte Filmstudios noch Ansprüche geltend machen können. Noch ist entsprechend nicht ausgemacht, wie viel der 2,6 Milliarden Euro der sächsischen Staatskasse zugutekommen wird.

Der Erlös stellt für den Freistaat Sachsen zunächst keine zusätzliche Einnahme im Landeshaushalt dar, sondern ist bis zum endgültigen Abschluss des Strafverfahrens eine verwahrte Hinterlegung. 
Aus der Pressemitteilung

Für Unverständnis hatte die Tatsache gesorgt, dass die Bitcoin augenscheinlich fast schon panisch verkauft wurden, ohne dazu Stellung zu nehmen. Hierfür liefert die Generalstaatsanwaltschaft Dresden in der Pressemitteilung eine Erklärung. Es handelte sich nämlich um eine „Notveräußerung“.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat im Rahmen einer sogenannten „Notveräußerung“ nach § 111p der Strafprozessordnung entschieden, die vom Angeschuldigten kurzfristig übertragenen Bitcoins zeitnah zu veräußern. Die Veräußerung vermögenswerter Gegenstände bereits vor Abschluss eines laufenden Strafverfahrens ist rechtlich immer dann geboten, wenn ein erheblicher Wertverlust von circa zehn Prozent oder mehr droht. Diese Voraussetzungen waren bei den volatilen Bitcoins aufgrund der enormen und extrem schnellen Preisschwankungen jederzeit gegeben.
Aus der Pressemitteilung

Bei den Verkäufen ging es letztlich darum, ohne den Markt „timen“ zu wollen, so schnell wie möglich die digitale Währung in Euro umzuwandeln. 

Der tagesaktuelle Wert der Bitcoins und sonstige nicht vorhersehbare kursbeeinflussende Umstände sind für die Entscheidung, ob und wann notveräußert wird, irrelevant. Bei der schnellstmöglich vorzunehmenden Notveräußerung verbietet sich für eine Strafverfolgungsbehörde jede Kursspekulation und jegliches Abwarten auf steigende Kurswerte.
Aus der Pressemitteilung

Marktschonende Veräußerung?

In der Erklärung ist dennoch von einer „marktschonenden Veräußerung“ die Rede. In der Bitcoin-Community machte sich jedoch der Eindruck breit, dass die Bitcoin fast schon amateurhaft veräußert wurden. Ein Anhaltspunkt dafür war, dass am 4. Juli, dem US-amerikanischen Unabhängigkeitstag, Transaktionen in Richtung Börsen feststellbar waren. 

Bitcoin handelt zwar rund um die Uhr an jedem Tag, doch an US-Feiertagen ist die generelle Liquidität am Finanzmarkt niedriger, weswegen große Verkäufe stärkere Kursrutsche auslösen können, wodurch letztlich der Verkäufer schlechter gestellt ist. Der Bitcoin-Kurs brach am „Independence Day“ sogar um über 5 Prozent ein, was mittlerweile recht unüblich für US-Börsenfeiertage geworden ist. Entsprechend lag die Vermutung nahe, dass dies an amateurhaften Verkäufen durch Sachsen lag.

Auf diese Bedenken geht die Generalstaatsanwaltschaft Dresden jedoch in der Pressemitteilung ein:

Der amerikanische Nationalfeiertag am 4. Juli 2024 hatte keinen Einfluss, weil nur eine geringe Menge an Bitcoins mit einem Marktanteil von ca. 0,28 Prozent des Handelsvolumens dieses Tages überwiegend außerbörslich mit europäischen Partnern gehandelt wurde.
Aus der Pressemitteilung

Generell soll bei den Veräußerungen immer darauf geachtet worden sein, einen möglichst kleinen Anteil des gesamten Bitcoin-Handelsvolumens auszumachen und den Großteil außerbörslich – „over the counter (OTC)“ – zu verkaufen.

Von Beginn an wurde regelmäßig weniger als ein Prozent des Marktvolumens an Bitcoins meist zu über 90 Prozent außerbörslich (OTC – over the counter) marktschonend gehandelt.
Aus der Pressemitteilung

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden ist sich recht sicher, so keinen großen Einfluss auf den Bitcoin-Kurs genommen zu haben. Während des gesamten Verkaufszeitraums ist der Bitcoin-Kurs jedoch um 13 Prozent gefallen – zeitweise gab es sogar ein Minus von fast 20 Prozent.

Was genau zu welchem Anteil zu fallenden oder steigenden Kursen führt, ist unmöglich auszumachen. An den Kapitalmärkten spielt auch die Signalwirkung immer eine große Rolle. Und wenn absehbar wird, dass eine relevante Entität verhältnismäßig viele Einheiten veräußert, dann können Kurse auch lediglich aus Panik fallen, selbst wenn die tatsächlichen Verkäufe sich kaum negativ auf den Preis eines Assets auswirken würden.

Während des Zeitraums der Veräußerung durch Sachsen gab es darüber hinaus noch die Mitteilung, dass die im Jahr 2014 kollabierte Bitcoin-Börse Mt.Gox ab Juli mit der Rückzahlung von rund 140.000 Bitcoin beginnt. Hierbei ist ebenfalls mit einem größeren Verkaufsdruck von vielen tausend Einheiten zu rechnen und entsprechend fiel der Bitcoin-Kurs in Reaktion auf die Meldung am 24. Juni auch um rund 5 Prozent im Tagesverlauf.

Fakt ist jedoch: Seitdem die BKA-Wallet vollends geleert ist, hat sich der Bitcoin-Kurs um fast 15 Prozent wieder erholt – innerhalb von gerade einmal fünf Handelstagen. Andersherum betrachtet war es aber auch ein gar nicht so schlechter „Trade“. Denn als die Bitcoin sichergestellt wurden, waren die knapp 50.000 Einheiten noch nicht einmal zwei Milliarden Euro wert – also etwa 25 Prozent weniger als der letztlich erzielte Erlös.

Die am 16. Januar 2024 übertragenen ca. 49.858 Bitcoins hatten damals beim Kurs von ca. 39.400 Euro einen Gesamtwert von rund 1,96 Milliarden Euro.
Aus der Pressemitteilung

Nichtsdestotrotz ist es spannend zu beobachten, wie viel der Anteil der sichergestellten Summe, die am Ende des Prozesses dem Freistaat Sachsen zusteht, in der Zukunft noch wert wäre, wenn Sachsen die Bitcoin „gehodlt“ hätte – ungeachtet der vielen weiteren Vorteile, die eine staatliche Bitcoin-Position mit sich ziehen könnte.

Tristan

Über den Autor: Tristan

Tristan ist studierter Volkswirt mit journalistischer Erfahrung außerhalb von Blocktrainer.de. Seit 2020 ist Tristan im Bitcoin-Space aktiv, schon in den Jahren zuvor beschäftigte er sich mit libertärer Wirtschaftstheorie.

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