Eine neue Studie befasst sich mit der Integration des Bitcoin-Minings in Bioraffinerien als zusätzliche Einnahmequelle und Kostenausgleich. Dadurch soll sich vor allem die Wirtschaftlichkeit der Raffinerien sowie die Nutzung der Bioprodukte erhöhen. Die Studie trägt den Titel „Die mögliche Beziehung zwischen Biomasse, Bioraffinerien und Bitcoin“ und wurde von den vier Autoren Georgeio Semaan, Guizhou Wang, Quoc Si Vo und Gopalakrishnan Kumar für die Universität im norwegischen Stavanger verfasst.

Biomasse als Rohstoff und Energie

Die Grundlage von nicht fossilen Chemieprodukten, wie Biokraftstoffen, Biodünger, Biolösungsmittel oder Biokunststoffen, ist die kohlenstoffneutrale erneuerbare Ressource Biomasse. Dabei gibt es verschiedene Arten von Biomasse, die sich bezüglich der Quelle oder Eigenschaften unterscheiden. In diesen organischen Materialien, wie beispielsweise Bioabfall, tierischer Dünger, Algen oder land- und forstwirtschaftliche Rückstände, befinden sich chemische Inhaltsstoffe, die in den Bioraffinerien extrahiert beziehungsweise umgewandelt werden.

Bioraffinerien sind Industrieanlagen, die mit Erdölraffinerien vergleichbar sind. […] Eine Bioraffinerie wird als ein System mit mehreren Biomasse-Inputs bei gleichzeitiger Erzeugung mehrerer Outputs durch eine Vielzahl von Prozessen definiert.  
Auszug aus der Studie

Die gewonnenen Produkte können zum Beispiel Lebens- und Futtermittel, Materialien und Chemikalien sowie Brennstoffe sein und stellen eine umweltfreundlichere Alternative zu den fossilen Pendants dar.

Neben der Verwendung als Rohstoff in der Pharmaindustrie, Landwirtschaft oder verarbeitenden Industrie findet Biomasse somit auch im Energiesektor Verwendung und verbessert die Nachhaltigkeit, zum Beispiel in Form von Biomethan, Biowasserstoff, Bioethanol, Biodiesel oder Biogas. Die Biokraftstoffe können leicht in bestehende Systeme integriert werden und gelten – trotz der Freisetzung von CO₂ bei der Verbrennung – aufgrund der Bindung von CO₂ beim Wachstum der Biomasse als kohlenstoffneutral. Sie sind somit eine attraktive und zugängliche Option, mit der CO₂-Emissionen eingespart werden können.

Die freigesetzte Energie und Wärme, die beim Verbrennen der Kraftstoffe beziehungsweise als Nebenprodukt bei der Herstellung der Bioprodukte entstehen, können zum Beispiel zur Erzeugung von Strom genutzt werden. Es wird erwartet, dass diese Bioenergieproduktion in Verbindung mit effizienten Kraft-Wärme-Kopplungsprozessen eine wichtige Rolle bei der Deckung des zukünftigen globalen Energiebedarfs spielt. Das Unternehmen Mercer Rosenthal GmbH ist ein treffendes Beispiel dafür. Es verarbeitet in Deutschland Nadelholzbiomasse und andere forstwirtschaftliche Abfälle und produziert dabei Zellstoff, Tallöl und große Mengen Ökostrom, der in der Bioraffinerie und zur Versorgung von 50.000 Haushalten verwendet wird.

Die Herausforderungen für Bioraffinerien

Obwohl die Produktausbeute vielfältig ist und die Nachfrage nach Biochemikalien steigt, haben viele Bioraffinerien noch Probleme mit der Rentabilität und der Kommerzialisierung. Für diese Probleme gibt es entsprechend der unterschiedlichen Arten der Biomasse auch verschiedene Gründe: Dazu gehören etwa der Mangel an effektiven Methoden bei der Verarbeitung oder zum Abtrennen bestimmter Stoffe (Lignozellulose aus Land-/Forstwirtschaft), die Notwendigkeit von genau kontrollierten Bedingungen und energieintensiven Prozessen (Algen) sowie Reinigungsprozessen der Brennstoffe oder die fehlende ordnungsgemäße Trennung von organischen Abfällen. Zusätzliche Prozesse führen dazu, dass die Kosten oft die Einnahmen übersteigen. Deshalb konzentrieren sich die traditionellen Modelle einer Bioraffinerie auf maximalen Produktionsausstoß und minimale Kosten. Die Autoren der Studie schlagen jedoch einen neuen Ansatz vor.

Bitcoin-Mining als innovativer Lösungsansatz

Um die Rentabilität der Bioraffinerien zu steigern, kann die kostengünstige oder überschüssige Bioenergie als Strom für Bitcoin-Mining-Anlagen, die nahezu überall einsetzbar sind, genutzt beziehungsweise in einen digitalen Vermögenswert umgewandelt werden. Dadurch erhöhen sich die Einnahmen, der Anreiz für einen kontinuierlichen Betrieb und letztlich die Effizienz der Bioraffinerien. 

Zudem könnten die hohen Kosten für die Herstellung der Produkte ausgeglichen werden, was wiederum deren Verkaufspreise reduzieren und den Markt für biobasierte Produkte attraktiver machen könnte. Dies würde letztlich auch die Nachhaltigkeit und die Energiewende fördern.

Optimierung der Energienutzung und Wirtschaftlichkeit

Neben den zusätzlichen Einnahmen bewirkt die Integration des Bitcoin-Minings in Bioraffinerien auch eine Optimierung der Energienutzung. Diese hängt jedoch auch von verschiedenen Faktoren ab, die sich von Fall zu Fall unterscheiden.

Die Beziehung zwischen Mining und Energienutzung ist komplex und umfasst mehrere miteinander verknüpfte Faktoren wie die Kosten der Biomasse, den verwendeten Biokraftstoff, die Größe der Bioraffinerie, die eingesetzte Prozesstechnologie, die Effizienz der Biokraftstoffumwandlung, die Kosten für die Reinigung des Biokraftstoffs, das verwendete Energieerzeugungssystem und die Stromkosten.
Auszug aus der Studie

Hinzu kommen der Umfang der Produktion von Bioprodukten und deren Verkaufspreise sowie Miner-spezifische Faktoren, wie der Preis, die Verfügbarkeit und die Effizienz der Mining-Hardware, der Bitcoin-Preis und die Schwierigkeit des BTC-Netzwerks.

Grundsätzlich ist ein robustes Stromverteilungssystem notwendig. Wenn die Abwärme der Miner nicht für Heizprozesse für Räume in der Bioraffinerie oder Gewächshäuser genutzt wird, müssen zudem Kühltechnologien installiert werden. Diese Aspekte könnten enorme Investitionen in die Infrastruktur mit sich bringen und dadurch die Gesamtkosten erhöhen und dürfen deshalb für die Ermittlung der tatsächlichen Kostenbasis für den Mining-Betrieb nicht vernachlässigt werden.

Untersuchung des Ertragspotenzials

In der Studie bemühen sich die Autoren, das Ertragspotenzial der Nutzung verschiedener Biokraftstoffe und ihre Kompatibilität mit verschiedenen Systemen und der Mining-Hardware zu analysieren. In einer Grafik zeigen sie den Vergleich des Energiegehalts verschiedener Biokraftstoffe sowie ihre BTC-Mining-Rendite mit drei ASIC-Modellen.

Zusätzlich weisen sie im Text auf einige Ergebnisse aus der Grafik hin, wie die Feststellung, dass Biowasserstoff unter den gleichen Bedingungen fast das 8-Fache an Bitcoin erzeugen kann wie Synthesegas.

Bei der Verwendung von Bio-H2 können insgesamt 3904 sats/kg Kraftstoff gewonnen werden, bei der Verwendung von Synthesegas sind es 537 sats/kg Kraftstoff.
Auszug aus der Studie

Außerdem betonen die Autoren, dass 1 kg Biowasserstoff im Vergleich zu Biomethan aufgrund des höheren Energiegehalts doppelt so viel BTC erzeugt. Mit einem Antminer S19 XP würde man mit Wasserstoff mehr als die doppelte Menge an Satoshis verdienen als mit einem S17, und mit einem S21 Hydro noch einmal ein gutes Drittel mehr.

Die Autoren kommen schließlich auch zu dem Ergebnis, dass die Renditen des Minings mit erhöhter Biokraftstoffkapazität und verbesserter ASIC-Effizienz steigen und Biokraftstoffe mit höherem Energiegehalt (wie Biowasserstoff) beim Bitcoin-Mining effizienter sind.

Indirekte Subventionierung der Bioprodukte

Die Autoren bewerten zudem verschiedene Szenarien, die positive und negative Auswirkungen des Bitcoin-Minings auf die Produktionskosten der Bioprodukte und letztlich die Rentabilität der Bioraffinerien mit sich ziehen. Damit wollen sie eine Orientierung geben, ob sich das Bitcoin-Mining für eine bestimmte Bioraffinerie lohnt beziehungsweise nicht lohnt, und eine fundierte Entscheidung erleichtern. Zudem bieten sie ein Berechnungsmodell für den Minimumpreis der Produkte durch die Integration des Bitcoin-Minings.

Beim „Best-Case-Szenario“ wird die Produktion und somit der Preis von Biochemikalien und Biomaterialien günstiger, indem der steigende Bitcoin-Preis die Produktionskosten ausgleicht und somit die Rentabilität der Raffinerie steigert. Beim „Worst-Case-Szenario“ sind die Einnahmen aus dem Bitcoin-Mining nicht bedeutend, sodass der zusätzliche Energieverbrauch die Produktionskosten und somit die Produktpreise erhöht und der Raffinerie Verluste einbringt.

Es ist daher sehr entscheidend, das Potenzial der Integration des Bitcoin-Minings in einer bestimmten Bioraffinerie zu untersuchen und eine tiefergehende Risikobewertung vorzunehmen.

Nicht für alle Raffinerien geeignet

Die verschiedenen Szenarien verdeutlichen, dass die Integration von Bitcoin-Mining-Anlagen sich nicht für jede Raffinerie eignet. Aufgrund der Ernährungssituation in der Welt schließen die Autoren Biomasse aus Lebens- oder Futtermitteln für die Herstellung von Bitcoin grundsätzlich aus.

Da die Stromkosten ein wichtiger Faktor für die Rentabilität des Minings sind, eignet sich die Integration des Bitcoin-Minings in eine Raffinerie, die über einen Zugang zu kostengünstiger Energie verfügt und idealerweise noch die Abwärme der ASICs zusätzlich nutzen kann.

Wenn eine Bioraffinerie Zugang zu verlässlicher, billiger Energie hat, die entweder gekauft oder vor Ort durch Biobrennstoffe erzeugt wird, dann kann das Bitcoin-Mining ein hochprofitables Unterfangen sein. Das Schürfen von Bitcoin in einer Bioraffinerie und die anschließende Verwendung als Wertaufbewahrungsmittel sollte eine Senkung der Produktionskosten und der Preise für andere in Co-Produktion hergestellte VAPs [Mehrwertprodukte] ermöglichen.

Auszug aus der Studie

Neben den technologischen Grenzen und der wirtschaftlichen Machbarkeit stellt auch ein fehlender standardisierter Rechtsrahmen eine erhebliche Hürde für die Integration des Bitcoin-Minings dar.

Die Schaffung eines standardisierten Rechtsrahmens, der die rechtlichen und steuerlichen Verpflichtungen für Bioraffinerien, die Bitcoin schürfen, klärt, würde eine reibungslosere Integration und Einhaltung der Vorschriften erleichtern. Bei sorgfältigem Management und kontinuierlicher Innovation könnte dieser Ansatz zu einer größeren Akzeptanz und geringeren Kosten in beiden Sektoren führen und ein überzeugendes Argument für die dreifache Nutzung von Biomasse für Bioprodukte, Bioenergie und Bitcoin darstellen.

Auszug aus der Studie

Fazit

Die Integration von Bitcoin-Mining-Anlagen kann dazu beitragen, dass eine Bioraffinerie wirtschaftlich lebensfähig sowie kommerziell erfolgreich ist und ihr Umweltprofil verbessert.

Neben der Umwandlung von organischer Biomasse in wertvolle Bioprodukte bietet das Bitcoin-Mining für eine Bioraffinerie eine zusätzliche Einnahmequelle, welche die Produktionskosten ausgleichen, die Preise für biobasierte Produkte erheblich senken und die Gesamteffizienz der Raffinerie erhöhen kann. Dabei sind die Energiequelle, die Region und die Wahl des Biokraftstoffs bedeutende Aspekte.

Gleichzeitig stellt die Verwendung von Biokraftstoffen aus Biomasse neben der zunehmenden Nutzung von erneuerbaren Energiequellen, wie Solar-, Wind-, Wasserkraft oder Geothermie, eine weitere Möglichkeit dar, den CO₂-Fußabdruck des Bitcoin-Minings zu verringern.

So hat diese Studie erneut verdeutlicht, dass die Integration des Bitcoin-Minings für alle Seiten positive ökologische und ökonomische Auswirkungen mit sich bringen kann und somit eine attraktive Option für viele Branchen darstellt.

Stefan

Über den Autor: Stefan

Stefan ist studierter Medienwissenschaftler und Sinologe sowie selbstständig im künstlerisch-publizistischen Bereich. Neben den monetären Eigenschaften interessiert er sich vor allem für die sozialen und ökologischen Aspekte von Bitcoin und dem Bitcoin-Mining.

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