Nachdem Bitcoin zum ersten Mal seit 2018 im Oktober einen Kursrückgang verzeichnete, beginnt der November, der eigentlich der Bitcoin-Monat mit der höchsten Durchschnittsrendite ist, ähnlich schlecht.
Am gestrigen Montag gab BTC bereits um 3,6 % nach und am heutigen Tag setzt sich der Abverkauf weiter fort.
Im Rahmen dieser Kursschwäche ist der Bitcoin-Kurs unter 100.000 US-Dollar und damit auf das niedrigste Niveau seit dem 23. Juni dieses Jahres gefallen.
Aktuell notiert BTC circa 20 % unter dem bisherigen Allzeithoch von über 126.000 US-Dollar, das am 6. Oktober erreicht wurde.
Liquiditätskrise wie 2019?
Nachdem im vergangenen Monat bereits Probleme bei US-amerikanischen Regionalbanken ersichtlich wurden, verdichten sich nun die Anzeichen einer Liquiditätskrise. Allein am 31. Oktober haben sich Banken 50,35 Milliarden US-Dollar über die „Standing Repo Facility (SRF)“ der Federal Reserve besorgen müssen.
Die SRF ist dafür da, Banken bei Liquiditätsnot schnelle Kredite zu gewähren, die mit Staatsanleihen oder hypothekenbesicherten Wertpapieren besichert sind. Zum Ende eines Monats beziehungsweise Quartals ist die erhöhte Nutzung dieser Fazilität an sich nicht außergewöhnlich. Doch der Ausschlag war der höchste seit Einführung des Instruments im Jahr 2021, wie Reuters berichtete.
Die Federal Reserve kaufte am vergangenen Freitag zudem für 29,4 Milliarden US-Dollar Wertpapiere von Instituten in Übernachtgeschäften ab. Am gestrigen Montag war ebenfalls eine verhältnismäßig große Summe von 7,75 Milliarden US-Dollar beobachtbar. Diese Zahlen lassen darauf schließen, dass im System momentan ein hoher Bedarf an kurzfristiger Liquidität vorhanden ist und dafür nicht mehr auf Kredite von Banken gezählt werden kann.
Währenddessen wächst das Konto des Finanzministeriums ("Treasury General Account; TGA"), was nicht zuletzt an dem noch anhaltenden Shutdown der USA liegt. Grundsätzlich gilt, dass ein Anstieg des TGA bedeutet, dass dem Markt Liquidität entzogen wird, während ein sinkender Kontostand mit einer Liquiditätsspritze für die Märkte gleichzusetzen ist.
Die Analystin Lyn Alden sieht Parallelen zur Liquiditätskrise im Jahr 2019, auf die eine Vergrößerung der Bilanz der Federal Reserve folgte. Bei der Notenbanktagung in der vergangenen Woche verkündeten die Geldhüter bereits, dass der derzeit noch stattfindende Bilanzabbau am 1. Dezember enden wird.
Bitcoin scheint ein Asset zu sein, das am sensibelsten auf die sich ändernden Liquiditätsbedingungen reagiert. Einige Marktbeobachter sahen den in den vergangenen Wochen bereits schwächelnden Bitcoin-Kurs demnach als Anzeichen dafür, dass die Probleme am Geldmarkt zunehmen. Am heutigen Tag stehen nun auch die Aktienmärkte, die sich bislang noch sehr gut halten konnten, unter Druck.
Sollte sich aus der aktuellen Situation eine größere Liquiditätskrise entwickeln, so ist davon auszugehen, dass die Federal Reserve die Märkte im großen Stil mit Liquidität versorgen wird – etwa über „Quantitative Easing (QE)“. Bei der letzten quantitativen Lockerung ging Bitcoin als klarer Gewinner hervor.
Zyklus-Top bereits erreicht?
Der Bitcoin-Kurs verlief bislang in Zyklen, die sich um das Halving herum aufgebaut haben. Das Hoch des jeweiligen Zyklus erreichte Bitcoin dabei immer im vierten Quartal des Jahres, das auf das Halving folgte.
Da sich im vergangenen Jahr das vierte Bitcoin-Halving ereignete, rechnen einige Marktteilnehmer damit, dass nun ein Bärenmarkt bevorsteht. Seit dem Tief des vergangenen Bärenmarktes sind zudem bereits knapp 36 Monate vergangen. Der Bullenmarkt zuvor, der bis in den November 2021 andauerte, lief 35 Monate lang.
Sollte Bitcoin tatsächlich das Zyklus-Top im Oktober erreicht haben – also nach 35 Monaten Bullenmarkt –, dann würde dies aus dieser Betrachtungsweise perfekt in das Bild passen.
Obwohl dieser Zyklustheorie nicht wirklich etwas Fundamentales zugrunde liegt, könnte sie zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Denn wenn viele Marktteilnehmer folglich nun einen Bärenmarkt erwarten, dann verkaufen sie schon jetzt, womit sie den Kurs dann tatsächlich unter Druck bringen können.
Ob sich diese Zyklen in Zeiten, in denen das institutionelle Kapital maßgeblich für die Kursentwicklung verantwortlich ist, wiederholen werden, ist noch unklar.
Hunter Horsley, CEO des Vermögensverwalters Bitwise Invest, stellte hingegen die These in den Raum, dass der Kurs womöglich schon das gesamte Jahr aufgrund des antizipierten Bärenmarktes schwächelt. Ihm zufolge wäre also vorstellbar, dass der Verkaufsdruck aufgrund der Zyklustheorie schon abgearbeitet wurde.
Was wäre, wenn — weil alle für 2026 im Rahmen eines 4-Jahres-Zyklus mit einem Bärenmarkt rechnen —
diese Erwartung den Bärenmarkt zeitlich nach vorne gezogen hat?
Und wir in Wirklichkeit einen großen Teil dieses Jahres schon im Bärenmarkt waren?
Ich weiß es nicht, aber Verrückteres ist schon passiert. Der Markt verändert sich.
Hunter Horsley, Bitwise-CEO
What if —
— Hunter Horsley (@HHorsley) November 4, 2025
Because everyone worries about a bear market in 2026 as part of a 4 year cycle.
The expectation pulled forward timing of the bear market.
And we’ve actually been in the bear market for much of this year.
Not sure, but crazier things have happened. The market is… https://t.co/HpfpdB8JSR
Überdies ist davon auszugehen, dass die Zyklustheorie ohnehin eines Tages gebrochen wird – und das nicht nur wegen des potenziellen „Frontrunnings“. Sollten die USA beispielsweise in den kommenden Monaten mit der aktiven Akkumulation von BTC beginnen, ist eher unwahrscheinlich, dass es trotzdem einen Bärenmarkt geben wird.
Nur eine Verschnaufpause?
Dass Bitcoin schon seit einigen Monaten nicht wirklich von der Stelle kommt, während die Aktienmärkte stetig auf neue Höchststände steigen, ruft bei vielen Marktteilnehmern wohl Frust hervor. BTC ist seit dem Bärenmarkttief im November 2022 jedoch Stand jetzt immer noch um 575 % gestiegen – von 15.500 auf über 100.000 US-Dollar. Nach so einer phänomenalen Kursentwicklung ist es nicht unüblich, dass erst einmal eine ausgedehntere Konsolidierung einsetzt.
Bitcoin-Halter sind durch die Performance der vergangenen Jahre zwar verwöhnt, doch es sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass schnelle Vervielfachungen des Kurses bei einer Marktkapitalisierung über 2 Billionen US-Dollar nicht mehr von heute auf morgen geschehen können.
Morgen vor einem Jahr ist es übrigens ein Jahr her, dass die US-Präsidentschaftswahl stattfand.
Diese entpuppte sich aufgrund des Wahlsiegs des Krypto-freundlichen Kandidaten Donald Trump als immenser Kurstreiber für Bitcoin.
Momentan ist Bitcoin immer noch das Asset, das seitdem am stärksten zulegen konnte.
Sowohl Gold als auch die Aktienindizes S&P 500 und Nasdaq 100 müssen sich auf 1-Jahres-Sicht geschlagen geben.
Währenddessen lassen sich einige Gründe dafür finden, wieso Bitcoin in den kommenden Monaten wieder steigen könnte: Nicht nur steht eine weitere geldpolitische Lockerung der Federal Reserve bevor, die institutionelle Adoption von Bitcoin läuft auch auf Hochtouren.
Laut einer Umfrage, die der Vermögensverwalter WisdomTree in Auftrag gegeben hat, gehen 86 % der 802 befragten professionellen Anleger aus Europa davon aus, dass Krypto innerhalb von 4 Jahren eine Standardallokation in institutionellen Portfolios wird.
Überdies setzen auch immer mehr Nationalstaaten auf Bitcoin. Abu Dhabi und der EU-Mitgliedstaat Luxemburg halten beispielweise über eigene Staatsfonds Bitcoin-ETFs, während die USA, die größte Volkswirtschaft der Welt, sogar eine strategische Bitcoin-Reserve ins Leben gerufen haben.