In einer umstrittenen Entscheidung wird Bitcoin Core in seiner nächsten Version das bisherige Limit für OP_RETURN-Daten aufheben. Während Entwickler technische Vorteile betonen, warnen Kritiker vor einer Abkehr vom ursprünglichen Zweck des Netzwerks – und prangern den fehlenden Konsens in der Community an.

Umstrittene Änderung in Bitcoin Core wird umgesetzt

Bitcoin Core ist die am weitesten verbreitete Software zur Teilnahme am Bitcoin-Netzwerk – sie dient als sogenannte Full Node und kann auch als Wallet genutzt werden. Entwickelt wird sie von einer offenen Gemeinschaft von Freiwilligen und stellt die Referenzimplementierung des Bitcoin-Protokolls dar.

Mit der bevorstehenden Aufhebung des OP_RETURN-Limits durch Bitcoin Core bahnt sich eine kontroverse Änderung im Bitcoin-Netzwerk an. Während die befürwortenden Entwickler von mehr Effizienz und Transparenz sprechen, befürchten Kritiker „den Anfang vom Ende des Bitcoin-Netzwerks“ und eine Abkehr von dessen ursprünglichem Zweck.

Bereits vor wenigen Tagen berichtete Blocktrainer über die zunehmenden Spannungen innerhalb der Entwickler-Community rund um die OP_RETURN-Debatte

Wie aus einem GitHub-Gist des Core-Entwickler instagibbs hervorgeht, wurde nun dennoch entschieden, das Limit in der nächsten Bitcoin Core-Version vollständig zu entfernen.

Info

OP_RETURN ist ein spezieller Output-Typ in Bitcoin-Transaktionen, der es erlaubt, kleine Datenmengen dauerhaft in der Blockchain zu speichern. Seit 2014 war die Größe solcher Datenfelder in Bitcoin Core standardmäßig auf 80 Byte begrenzt – ein Kompromiss zwischen Funktionalität und Effizienz. Dieses Limit wird nun aufgehoben.

Was genau ändert sich?

Die kontroverse Änderung wurde in Form eines sogenannten Pull Requests (#32359) eingebracht – und zwar vom mittlerweile nicht mehr ganz unumstrittenen Bitcoin-Urgestein Peter Todd.

Bisher durften Bitcoin-Transaktionen nur sehr kleine Datenmengen (maximal 80 Byte) über das sogenannte OP_RETURN-Feld enthalten. Dieses Feld wurde von Anfang an bewusst begrenzt, um die Blockchain möglichst schlank zu halten und Spam zu vermeiden. Wer größere Daten einfügen wollte, musste auf komplizierte Tricks ausweichen, etwa indem er scheinbar normale Ausgänge erstellte, die in Wirklichkeit nur Daten enthielten – sogenannte „Fake Outputs“. Diese Methoden machten die Bitcoin-Blockchain allerdings unübersichtlicher und ineffizienter.

Mit dem nächsten Update von Bitcoin Core wird dieses Limit nun vollständig entfernt. Das heißt: Mehr Daten lassen sich direkter und gewissermaßen transparenter in der Bitcoin-Blockchain speichern.

Trotz aller Kontroverse betonen die verantwortlichen Core-Entwickler: Das alte Limit sei ohnehin leicht zu umgehen gewesen und habe inzwischen mehr geschadet als genutzt. Durch die Aufhebung könne man Daten wieder „sauber“ speichern – ohne Umwege und ohne das Set der ausgabefähigen Bitcoin (UTXO) aufzublähen.

Der sehr angesehene Bitcoin-Entwickler Pieter Wuille unterstützt beispielsweise diese Sichtweise und verweist auf die ökonomische Realität:

Millionenschwere Geschäftsmodelle lassen sich nicht durch Relay-Richtlinien aufhalten. Miner werden lukrative Transaktionen ohnehin verarbeiten – selbst wenn sie technisch nicht durch den Standardfilter kommen.
Pieter Wuille

Auch Greg Maxwell, einer der einflussreichsten Bitcoin-Entwickler der letzten Dekade, warnt davor, die Weiterleitungspolitik restriktiver zu gestalten als das, was Miner ohnehin akzeptieren:

Wenn Relay-Regeln restriktiver sind als die Mining-Praxis, führt das nur zu direkter Einreichung von Transaktionen – was wiederum die Zentralisierung fördert.
Greg Maxwell

Beide betonen: Eine klar geregelte, transparente Nutzung von OP_RETURN sei besser, als Umgehungsstrategien zu fördern, die das Netzwerk destabilisieren.

Kritik & Kontroverse um die Aufhebung

Die Entscheidung zur Aufhebung des OP_RETURN-Limits sorgt dennoch für erhebliche Spannungen innerhalb der Bitcoin-Community – nicht nur wegen der technischen Auswirkungen, sondern vor allem wegen der Art und Weise, wie sie zustande kam. Viele langjährige Bitcoin-Unterstützer und -Entwickler sehen in der Änderung eine gefährliche Entwicklung, die sowohl das Netzwerk selbst als auch das Vertrauen in die Entscheidungsstrukturen von Bitcoin Core untergräbt.

Ein zentraler Kritikpunkt ist die mangelnde Einbindung der Community. Die Änderung wurde ohne formales BIP (Bitcoin Improvement Proposal) und ohne breit angelegte Diskussion eingeführt – obwohl sie ja durchaus tiefgreifende Auswirkungen auf die Nutzung von Bitcoin (Core) hat. 

Es ist ziemlich offensichtlich, dass es aktuell keinen Konsens zu OP_RETURN gibt.
Marty Bent, Ten31

Zusätzlich entzündete sich die Kritik an der Moderation auf GitHub, wo Stimmen, die sich gegen die Änderung aussprachen, teilweise gelöscht oder als „off-topic“ eingestuft wurden. Sogar Accounts sollen gesperrt worden sein. Diese Vorfälle führten zu Vorwürfen der Zensur und Intransparenz – besonders brisant in einem Projekt, das auf Offenheit und Dezentralität fußen soll.

Ein weiterer Vorwurf betrifft mögliche Interessenkonflikte: Einige User stellten die Frage, ob wirtschaftliche Interessen – etwa im Zusammenhang mit NFT-Plattformen oder Tokenisierung – die Entscheidung beeinflusst haben könnten. Allerdings muss man ehrlicherweise ganz klar sagen, dass es dafür weder Beweise noch Hinweise gibt.

Insgesamt wird die Debatte aber nicht nur technisch, sondern vor allem ideologisch geführt: Soll Bitcoin ein minimalistisches, auf Geldtransfers fokussiertes Netzwerk bleiben – oder ein offenes System, das auch datengetriebene Anwendungen erlaubt? 

Die Aufhebung des OP_RETURN-Limits könnte, wie schon in unserem vorherigen Artikel angedeutet, zum Symbol für eine tiefere Spaltung innerhalb des Bitcoin-Ökosystems werden.

Was bedeutet das für Bitcoin und die Nutzer?

Für die meisten Nutzer ändert sich durch diese Entscheidung zunächst nichts Grundlegendes. Es handelt sich nicht um eine Änderung der Bitcoin-Regeln selbst, also um keine sogenannte Konsensänderung.

Stattdessen betrifft die Entscheidung nur die „Policy-Regeln“ – also die Standard-Einstellungen, nach denen die Bitcoin Core-Software Transaktionen weiterleitet und verarbeitet.

Diese Regeln legen fest, welche Art von Transaktionen ein Node automatisch akzeptiert und an andere weiterleitet. Entwickler und Betreiber von Nodes können diese Einstellungen jedoch anpassen oder alternative Software wie Bitcoin Knots verwenden, die andere Vorgaben macht.

Wer Bitcoin Core 30.0 nutzt, wird künftig Transaktionen mit großen OP_RETURN-Feldern akzeptieren – andere Implementierungen oder ältere Versionen können das anders handhaben.

Kurz gesagt: Bitcoin bleibt als Netzwerk stabil – aber die Art, wie einzelne Programme mit bestimmten Transaktionen umgehen, wird flexibler. 

Es zeigt aber auch, wie dezentral Bitcoin funktioniert: Es gibt – wenn nötig – nicht nur eine „offizielle“ Software, sondern mehrere Wege, wie Nutzer und Miner sich an dem Netzwerk beteiligen können.

Info

Interview #20 - Bitcoin Core Update: Was bedeutet die OP_RETURN-Änderung? - mit Murch

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Mehr Vielfalt durch Software-Pluralismus

Unabhängig davon, wie man zur OP_RETURN-Änderung steht, sehen einige Bitcoiner in der aktuellen Debatte vor allem eine Chance: mehr Aufmerksamkeit für den Software-Pluralismus im Bitcoin-Ökosystem.

In einigen öffentlichen Diskussionen betonten User, dass ihnen die konkrete Entscheidung über das Limit gar nicht so wichtig sei. Entscheidend sei für sie vielmehr, dass Bitcoin-Nutzer erkennen, dass es verschiedene Implementierungen gibt und in Zukunft vielleicht noch mehr dazukommen.

Ich mache mir [wegen der Entfernung des Limits] überhaupt keine Sorgen. Trotzdem werde ich die aktuelle Lage nutzen, um mich für die Förderung von verschiedenen Implementierungen einzusetzen.
Meister Eder bei 𝕏

Bislang dominiert Bitcoin Core allerdings mit einem Marktanteil von weit über 90 Prozent. Projekte wie Bitcoin Knots, btcd oder Libbitcoin ermöglichen es jedoch, alternative Policy-Regeln zu wählen oder eigene Anpassungen vorzunehmen.

Die Debatte rund um OP_RETURN kann damit im besten Fall als Katalysator wirken, um die Dezentralität nicht nur im Netzwerk, sondern auch auf Software-Ebene zu stärken. Da das Update allerdings noch nicht “gemerged” ist, bleibt abzuwarten, ob es schlussendlich tatsächlich kommt.

René

Über den Autor: René

René ist bei Blocktrainer.de-Mitarbeiter der ersten Stunde. Als „Chief Operation Officer“ ist er mittlerweile hauptsächlich mit strategischen und organisatorischen Aufgaben betraut, findet jedoch Freude daran, zeitweise redaktionell tätig zu sein. In den vielen Jahren, in denen er im Bitcoin-Kosmos unterwegs ist, hat er sich ein breit gefächertes Know-how in sämtlichen Bereichen rund um die bedeutendste Kryptowährung angeeignet.

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