Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) will Bitcoin- und Krypto-Wallets mit einem Geldwäsche-Score bewerten. Aus Bitcoiner-Sicht wäre das ein Frontalangriff auf die Fungibilität von BTC – zumindest in Interaktion mit dem Fiatsystem.

Am 13. August veröffentlichte die BIS, die oft auch als „Zentralbank der Zentralbanken“ bezeichnet wird, ein Arbeitspapier mit dem Titel „An approach to anti-money laundering compliance for cryptoassets“. Der Titel lässt sich wohl am präzisesten als „ein Ansatz zur Einhaltung der Geldwäschevorschriften für Krypto-Assets“ übersetzen. 

In dem Papier skizzieren die Autoren eine neue Strategie für die Anti-Geldwäsche-Überwachung (anti-money laundering; AML) von „permissionless“ Blockchains wie unter anderem Bitcoin oder Ethereum.

Der Kern: Die öffentlichen Transaktionsdaten selbst sollen genutzt werden, um eine Art „AML-Compliance-Score“ für einzelne Coins oder Wallets zu berechnen.

Diese Bewertung soll dann an den „Off-Ramps“ – also beim Umtausch in Fiat-Währungen – geprüft werden. Coins oder Wallets unterhalb eines festgelegten Schwellenwerts sollen entsprechend blockiert werden.

Dieser Bericht untersucht einen alternativen Ansatz zur Geldwäschebekämpfung (AML) in erlaubnisfreien Blockchains, der genau jene Eigenschaften nutzt, welche sie gegenüber herkömmlichen Methoden unzugänglich machen. Da die vollständige Transaktionshistorie auf der Blockchain öffentlich einsehbar ist, könnte sie zur Bewertung herangezogen werden, wie stark eine bestimmte Einheit eines Krypto-Assets mit vergangenen oder aktuellen illegalen Aktivitäten in Verbindung steht. Ein diagnostischer „AML-Compliance-Score“ könnte dann von Behörden bei weiteren Maßnahmen berücksichtigt werden […]
Auszug aus dem Arbeitspapier

Der Vorschlag im Detail

Laut BIS soll jede Wallet-Adresse oder jeder Coin anhand seiner Transaktionshistorie bewertet werden. Die Skala reicht von 0 bis 100:

  • Score 100: Coins stammen ausschließlich von Adressen auf einer „Allow-List“
  • Score 0: Direkte Verbindung zu Adressen auf einer „Deny-List“
  • Zwischenwerte: Abhängig von der „Nähe“ zu verdächtigen Adressen

Das Modell kann streng (nur erlaubte Adressen sind akzeptabel) oder lasch (nur direkte Kontakte zu verbotenen Adressen sind problematisch) umgesetzt werden. Dazwischen sind komplexere Stufen denkbar, wie zum Beispiel Wartezeiten, Interaktionsverbote oder Beschränkungen der Beträge.

Interessanterweise werde Stablecoins von der BIS als besonders geeignetes Testfeld genannt, da zentrale Emittenten heute schon Konten einfrieren können. Für Bitcoin ist die technische Umsetzbarkeit durch die öffentliche UTXO-Historie ebenfalls gegeben.

Etwas Ähnliches macht ja bereits das sogenannte „Ordinals-Protokoll“, das es möglich macht, einzelne Satoshis anhand ihrer Historie zu identifizieren. Dabei entstand auch der Markt für sogenannte „Rare Sats“, also Satoshis mit besonderer Herkunft (z. B. aus einem frühen Block oder aus einem Block Reward bestimmter Epoche). Während dies derzeit ein rein freiwilliger Sammler- und Nischenmarkt ist, geht es bei dem von der BIS vorgeschlagenen Scoring-System um regulatorische Unterscheidungen – mit potenziell gravierenden Folgen für die Fungibilität von BTC.

Ein Angriff auf die Fungibilität

Fungibilität bedeutet, dass jede Einheit eines Gutes gleichwertig ist. Ein staatlich festgelegtes Scoring zerstört diese Eigenschaft allerdings (zumindest innerhalb des Systems, die dieses Scoring anwendet. Das Bitcoin-Netzwerk selbst ist davon natürlich nicht betroffen). Plötzlich gäbe es nämlich „saubere“ und „schmutzige“ Bitcoin, die sich in der Handelbarkeit und dann möglicherweise auch im Preis unterscheiden. Im BIS-Modell kann selbst der Empfang eines Coins aus zweiter oder dritter Hand zu einem schlechten Score führen – auch wenn der Empfänger nichts von einer angeblichen Vorbelastung wusste. Das ist faktisch eine Kollektivhaftung.

Indem Off-Ramps Transaktionen blockieren, entsteht außerdem eine Filterinfrastruktur, die leicht für andere politische oder wirtschaftliche Ziele zweckentfremdet werden kann, von Kapitalverkehrskontrollen bis zu gezielten Sanktionen gegen missliebige Personen oder ganze Gruppen.

Die geplanten "Allow-Lists“ und „Deny-Lists“ müssen außerdem auch gepflegt werden. Wer diese Listen kontrolliert, würde enorme Macht über die Nutzbarkeit von Bitcoin halten – zumindest in der regulierten Finanzwelt. Eine transparente, demokratische Kontrolle ist in diesem Modell aber kaum vorstellbar. Denn es glaubt wohl niemand, dass die Staatsmächte, die die Listen festlegen und überwachen, dem wohlgesonnen sind.

Bitcoin vs. Fiatsystem

Wenn man es sich genau überlegt, dann wirft der Vorschlag der BIS für Bitcoiner nicht nur technische, sondern auch strategische Fragen auf. Wer auf „No-KYC“-Coins setzt – also Bitcoin, die ohne Identitätsprüfung erworben wurden –, entzieht sich staatlicher Kontrolle und behält maximale Privatsphäre. Gleichzeitig steigt jedoch das Risiko, dass diese Coins beim Kontakt mit dem regulierten Finanzsystem – insbesondere an den Fiat-Off-Ramps –blockiert oder abgewertet werden.

Das kann langfristig zu einem Zwiespalt führen: Entweder man bleibt überwiegend im Fiatsystem, akzeptiert dafür aber strengere Kontrollen, Identitätsprüfungen und mögliche Einschränkungen der eigenen Coins, oder man orientiert sich stärker an einem rein auf Bitcoin basierenden Wirtschaftskreislauf, in dem Fiat keine oder nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Letzteres bedeutet dann entsprechend, Zahlungen, Ersparnisse und Handel primär in BTC abzuwickeln und Fiat nur noch in Ausnahmefällen zu nutzen.

Wer seine Bitcoin gar nicht oder nur noch selten gegen Fiat verkauft, reduziert automatisch die Berührungspunkte mit solchen AML-Scoring-Systemen und den damit verbundenen Risiken. Das erfordert allerdings auch eine bewusste Umstellung der eigenen Finanzgewohnheiten.

Dabei ist es umso wichtiger, dass die Communities und Märkte, die Bitcoin direkt akzeptieren, stetig wachsen, damit immer mehr reale Güter und Dienstleistungen ohne den Umweg über Fiat erworben werden können. Je breiter das Angebot, desto einfacher wird es, im Bitcoin-Ökosystem zu bleiben und den Druck des Fiatsystems zu umgehen und es gewissermaßen langfristig auszuhebeln.

Je klarer man sich darüber wird, in welchem System man langfristig zuhause sein möchte, desto gezielter kann man Strategien entwickeln, um die eigene Souveränität zu wahren.

Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass es sich bei dem BIS-Bulletin natürlich noch nicht um konkrete regulatorische Pläne handelt, sondern lediglich um ein Arbeitspapier – ein Gedankenspiel der Autoren, das nicht zwangsläufig die offizielle Position der BIS widerspiegelt.

Dennoch: Allein die Tatsache, dass solche Ideen in den Köpfen von Zentralbankern überhaupt Gestalt annehmen, sollte für Bitcoiner Grund genug zur Sorge sein. Denn oft ist es nur ein kleiner Schritt von theoretischen Konzepten auf dem Papier hin zu politischen Vorstößen und gesetzgeberischen Maßnahmen. Und wer die möglichen Folgen für Bitcoin kennt, weiß, dass Wachsamkeit hier oberstes Gebot ist.

René

Über den Autor: René

René ist Blocktrainer-Mitarbeiter der ersten Stunde. Als „Chief Operation Officer“ ist er mittlerweile hauptsächlich mit strategischen und organisatorischen Aufgaben betraut, findet jedoch Freude daran, zeitweise redaktionell tätig zu sein. In den vielen Jahren, in denen er im Bitcoin-Kosmos unterwegs ist, hat er sich ein breit gefächertes Know-how in sämtlichen Bereichen rund um die bedeutendste Kryptowährung angeeignet.

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