Wer kennt sie nicht, die Aussage: "2% der Bitcoin-Accounts halten 95% aller Bitcoin". Dieses Argument wird immer wieder von Kritikern hervorgebracht, die damit suggerieren wollen, dass Bitcoin in gewissen Punkten trotz aller dezentralen Facetten in gewisser Weise zentralisiert ist. Auch die Nachrichtengruppe Bloomberg zog diese Behauptung kürzlich in einem Artikel heran.

Der CTO des On-Chain Analyseservices Glassnode, Rafael Schultze-Kraft, hat diese Aussage mit seiner Firma genauer unter die Lupe genommen und die Ergebnisse in einem Blogpost präsentiert.

Nein, die Bitcoin-Verteilung ist nicht so konzentriert wie gedacht!

Das Problem, das diesen Aussagen zugrunde liegt, ist die Tatsache, dass ältere Reports, die diese 2/95-Verteilung zum Ergebnis hatten, lediglich die Verteilung der BTC über alle Netzwerkadressen hinweg analysierten. Dies hatte leider zur Folge, dass falsche Annahmen zum Besitz, der sich auf diesen Adressen befindlichen BTC, getroffen wurden.

Glassnode sieht vor allen Dingen zwei große Fehler in den bisherigen Annahmen:

  1. Nicht alle Bitcoin-Adressen sollten gleich behandelt werden. Zum Beispiel muss eine Börsenadresse, die die Gelder von Millionen von Nutzern hält, von einer selbst verwalteten Adresse einer Einzelperson unterschieden werden.
  2. Eine Bitcoin-Adresse ist kein "Konto". Ein Benutzer kann mehrere Adressen kontrollieren und eine Adresse kann die Gelder von mehreren Benutzern halten.

Schultze-Kraft hingegen entgegnete in seinem Post, dass sie im Gegensatz zu den anderen die Verteilung von Bitcoin über Entitäten unterschiedlicher Größe analysieren, wobei sie auch Adressen berücksichtigen, die zu Börsen und Minern gehören. Das Ziel ist es, mehr Licht auf die wahre zugrundeliegende Verteilung von BTC über die Netzwerkteilnehmer zu werfen und zu zeigen, dass der Bitcoin-Besitz viel weniger konzentriert ist, als oft berichtet wird - und tatsächlich eine Streuung über die Jahre hinweg erfahren hat. Außerdem zeigen sie, dass im Laufe des letzten Jahres das BTC-Angebot, das von Wal-Entitäten gehalten wird, erheblich zugenommen hat, was auf einen Zufluss von institutionellen Investoren hindeutet.

Große Haie - kleine Fische

Um auszudrücken wie groß das Vermögen von einzelnen Entitäten ist, wird im Bitcoin-Space häufig der Vergleich mit Meeresbewohnern herangezogen. Ab einem Vermögen von 1000BTC spricht man von sogenannten Walen. Hier ein Überblick über die Bezeichnungen:

Quelle: https://pbs.twimg.com/media/EtO5WQ_XAAAeeBm?format=jpg&name=small

Die Analysten von Glassnode haben in ihrer Aufstellung die Miner und Exchanges aus der Gesamtmenge herausgenommen und betrachten diese als einzelne Kategorien.

Quelle: https://insights.glassnode.com/content/images/size/w1000/2021/01/sup-1.png

Das Ergebnis der Analysen zeigte, dass abgesehen von Minern und Börsen, die Buckelwale + Wale den höchsten prozentualen Anteil an Bitcoins in ihrem Besitz haben. In diese Kategorien zählen neben vermögenden Privatpersonen vor allem auch institutionelle Anleger, Fonds und andere Verwahrer von Bitcoin bzw. Kryptowährungen. Insgesamt machen sie 31% des gesamten Angebots aus.

Dem gegenüber stehen nur 23% von, durch Shrimps, Krabben und Oktopussen verwaltete, Bitcoin. Da davon auszugehen ist, dass sich in diesen Kategorien hauptsächlich Privatanleger tummeln, lässt sich zeigen, dass immerhin fast ein Viertel aller Bitcoin im Besitz von Kleinanlegern ist - mit steigender Tendenz über die letzten Jahre! Allerdings ist seit dem letzten Jahr auch wieder ein Aufwärtstrend bei den Walen zu verzeichnen.

Die Verschiebung hin zu einer breiteren Streuung des BTC-Angebots in den letzten Jahren wird deutlicher, wenn man sich die relative Veränderung des Angebots in Bezug auf die einzelnen Kategorien ansieht. Die untenstehende Grafik zeigt, dass die kleinsten Akteure ihre Bestände seit 2017 um 130% erhöht haben, während die Oktopusse und Fische immerhin um 14% aufgestockt haben.

Die Bestände der Big Player hingegen schrumpften im gleichen Zeitraum um -3% bzw. -7 %.

Diese Grafik zeigt sehr gut, wie sich das BTC Vermögen über die letzten Jahre hin zu den Kleinanlegern verteilt hat.
Quelle: https://insights.glassnode.com/content/images/size/w1000/2021/01/sup_time_lines.png

Wie viele Entitäten gibt es ?

Um die eingangs erwähnte Aussage "2% halten 95%" zu be- bzw. entkräften, muss man natürlich auch betrachten, aus wie vielen einzelnen Entitäten die jeweiligen Kategorien bestehen.

Quelle https://insights.glassnode.com/content/images/size/w1000/2021/01/count-1.png

Von insgesamt ca. 22,65 Millionen Bitcoin-Besitzern (Börsen und Miner ausgenommen) entfallen fast 97% auf die Klein- und Kleinstanleger!

Der geschätzte Prozentsatz des Bitcoin-Angebots, das von Netzwerk-Entitäten kontrolliert wird (Log-lin Skala)
Quelle: https://insights.glassnode.com/content/images/size/w1000/2021/02/rel_count_sup.png

Daraus können wir also ableiten, dass ca. 2% der Entitäten ungefähr 71,5% aller Bitcoins besitzen. Nicht wie oft angenommen 95%.

Zwar ist die Zahl der Shrimps möglicherweise kleiner als angenommen, da es nicht immer möglich ist, Adressen zu einer einzigen Entität zu clustern, dem gegenüber stehen jedoch folgende Dinge, die ebenfalls in Betracht gezogen werden sollten:

  • Grayscale und andere institutionelle Verwahrungsdienste werden in dieser Analyse nicht berücksichtigt. Ihre BTC befinden sich jedoch augenscheinlich in den Kategorien von Walen und Buckelwalen. Angesichts der Tatsache, dass ihre Bestände im Besitz mehrerer Teilnehmer sind (Grayscale hat zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels ~650.000 BTC), würde dies einen Teil des Wal-Angebots in Richtung kleinerer Akteure verschieben.
  • Viele verlorene Coins stammen aus den frühen Tagen, in denen angesichts des niedrigen Preises noch viele BTC auf einzelnen Adressen gehalten wurden. Berücksichtigt man diesen Fakt, so würde dies ebenfalls eine breitere Verteilung hin zu den Kleinanlegern zur Folge haben.
  • Die Wrapped-BTC Token sollte man ebenfalls beachten. Derzeit sind immerhin 115.000 BTC als WBTC-Token gelockt. Die Verwahr-Services speichern diese in Adressen von mindestens 1000BTC pro Adresse. Da diese Coins wiederum vielen (Klein-)Anlegern gehören, ergibt dies ebenfalls eine breitere Verteilung.

Und einer der wichtigsten Faktoren, die mit einbezogen werden sollten, sind die Exchanges!

  • Exchanges, beziehungsweise deren Nutzer haben höchstwahrscheinlich ebenfalls einen großen Einfluss auf die oben genannte Verteilung. Schätzungen zufolge liegt die Anzahl an Börsen-Benutzern bei ca. 130.000.000. Es kann außerdem davon ausgegangen werden, dass es sich zu großen Teilen um Kleinanleger handelt. Würde man die Börsen in die obige Schätzung mit einbeziehen, hätte dies zur Auswirkung, dass die Anzahl der Kleinanleger massiv steigen würde, was die Verteilung noch mehr in deren Richtung beeinflussen würde.

Fazit

Obwohl die Zahlen von Glassnode natürlich nur auf Heuristiken und Clusterin-Algorithmen beruhen, so kann man dennoch sagen, dass die eingangs genannte Aussage über die Konzentration der Vermögensverteilung in Bitcoin als unwahr abgestempelt werden kann. Besonders interessant sind hierbei die Tatsachen, dass sich in den letzten Jahren eine Verteilung von den großen Walen hin zu den Kleinanlegern ergeben hat.
Dass die Wale jedoch aktuell wieder dabei sind stärker zu akkumulieren und große Mengen an Bitcoins kaufen, ist in jedem Fall ein gutes Zeichen für die Zukunft.