Jede Person, die am gestrigen Abend den ARD Kontraste-Beitrag "Klimakiller Bitcoin" (auf eine Verlinkung wird an dieser Stelle bewusst verzichtet) gesehen und sich in seinem oder ihrem Leben mehr als 20 Minuten mit der Thematik auseinandergesetzt hat, dürfte während der knapp siebenminütigen Ausstrahlung wohl aus dem Kopfschütteln nicht herausgekommen sein. Der Beitrag war an schlechter Recherche und absichtlichen Falschaussagen kaum zu überbieten, jedoch möchten wir in diesem Blogpost einen Punkt des Beitrags aufgreifen und etwas genauer beleuchten.

Die Bitcoin-"Chefprogrammierer"

Während zu Beginn der Kurzreportage noch davon die Rede war, dass Bitcoin ein dezentrales System ist und "zu dezentral, um es regulieren zu können" wurde gegen Ende suggeriert es gebe sechs sogenannte "Chefprogrammierer", die sich mit ihrer Entscheidungsgewalt und aus purer Absicht bzw. Profitgier gegen eine Umstellung auf einen grüneren Konsens- bzw. Sicherheitsmechanismus stellen. Die Krönung des Beitrags war die Tatsache, dass diese sechs "Chefprogrammierer", dann in einer Form präsentiert wurden, wie man es eigentlich nur von Fahndungsfotos von Schwerverbrechern kennt.

Die "Chefprogrammierer" - zur Dramatisierung vom ARD mit verpixelten Gesichtern dargestellt.

Stigmatisierung und bewusste Hetze

Es ist bereits faktisch falsch zu behaupten, dass diese sechs Männer die "Chefprogrammierer" von Bitcoin seien (dazu später mehr). Doch wurden hier Menschen in einer Art und Weise stigmatisiert und für etwas verantwortlich gemacht, das überhaupt nicht in ihrem Verantwortungsbereich liegt. Menschen die sich freiwillig und unentgeltlich für ein freies und weltweites Softwareprojekt engagieren, das mittlerweile mehr als eine Billion USD an Werten absichert. Menschen die zu einem Netzwerk beitragen, das Aussagen der Human Rights Foundation zufolge bereits Menschenrechte auf der ganzen Welt schützt. Und Menschen die nichtmal wenn sie denn wollten, einfach mal so nebenbei ein Software-Update einspielen könnten und plötzlich wäre Bitcoin klimaneutral.

Mit unter anderem dieser Frage, ob man nicht einfach das Bitcoin-System mit einer Art Software-Update verbessern könnte, kontaktierte die verantwortliche Redakteurin das Blocktrainer-Team, da sie an dieser Stelle noch etwas Verständnisschwierigkeiten hatte und bereits auf unterschiedliche Aussagen dazu gestoßen ist. Ich erklärte ihr, dass es leider nicht so leicht ist, aber lest selbst. Hier ist ein Ausschnitt der Email:

Wie man ausgehend von dieser Email (es wurden insgesamt ca. 5 Mails und sogar noch eine Weitere zu dieser Thematik ausgetauscht, in der ich erläutert habe, dass POW das Herzstück von Bitcoin und der größte Sicherheitsaspekt ist) zu der Behauptung "Die Chefprogrammierer weigern sich" gelangen kann, ist mir ein Rätsel. Hier wurden demnach bewusst falsche Tatsachen dargestellt, um das Bild des "Klimakiller Bitcoin" und seinen bösartigen Netzwerkteilnehmern perfekt zu machen.

Aber wahrscheinlich ist es das, worauf wir uns in Zukunft einstellen müssen. Dieser Beitrag könnte erst der Anfang des "Bitcoin-Shamings" gewesen sein. You heard it here first...

Die Bitcoin Core Maintainer

Dass es nicht wirklich so etwas wie "Chefprogrammierer" gibt, sollte den meisten Menschen klar sein, die sich schon etwas näher mit dem Thema Bitcoin auseinandergesetzt haben. Wir wollen euch an dieser Stelle zeigen, wer in welcher Hinsicht wirklich für Bitcoin verantwortlich ist und wer die sechs gezeigten Personen eigentlich sind.

Zunächst einmal ist zusagen, dass es eigentlich nicht nur eine Version von Bitcoin gibt. Ähnlich wie man es aus der Welt der Betriebssysteme von Linux (Ubuntu, Debian...) gibt es auch von Bitcoin verschiedene Software-Implementierungen. Die wichtigste, da am weitesten verbreitete, Software heißt Bitcoin Core.

Der Quellcode für die Bitcoin Core-Software wird auf Github, einer Plattform für Open-Source-Softwareverwaltung, gehostet. Dies ermöglicht es, dass weltweit hunderte Programmierer unter den Augen von Tausendenden weiteren zur Weiterentwicklung von Bitcoin Core beitragen können. Obwohl es so etwas wie "Chefprogrammierer" nicht gibt, gibt es dennoch einige Entwickler, die sich im Laufe der Zeit ein gewisses Ansehen in der Community erarbeitet haben und die deshalb spezielle Zugriffsrechte auf die Verwaltung des Quellcodes haben. Diese sogenannten Maintainer sind für die Aufnahme von neuen Code-Vorschlägen (Pull-Requests) in das Haupt-Repository verantwortlich. Derzeit gibt es insgesamt sechs dieser Core-Maintainer und wie ihr sicherlich schon erahnt habt, handelt es sich hierbei um die Personen auf der "Fahndungsliste" des ARD. Wir möchten uns an dieser Stelle ansehen, wer die Personen sind und anschließend klären, warum sie eben keine "Chefprogrammierer" sind und schon garnicht die Macht besitzen, eigenständig Änderungen im Bitcoin-System einzuführen. Da die Maintainer allesamt sehr bescheidene und zurückhaltende Menschen sind, die sich nicht gerne öffentlich in der Vordergrund drängen, ist allgemein nur wenig bekannt. Wir versuchen euch dennoch ein paar Infos mit an die Hand zu geben, um zu verstehen, dass es sich eben nicht um "gesuchte Verbrecher" handelt ;-) .

Wladimir van der Laan

Wladimir J. van der Laan | Messari
Quelle: messari.io

Die erste Person auf den Bildern ist Wladimir van der Laan. Seit er 2014 die Zugriffsrechte auf den Bitcoin-Quellcode von Gavin Andresen zugesprochen bekommen hat, war er der "Lead Maintainer".
Andresen wiederum hatte die Rechte damals 2011 von Satoshi Nakamoto persönlich erhalten. Van der Laan lebt in den Niederlanden und hat in den letzten Jahren enorm viel Arbeit in die Bitcoin-Entwicklung gesteckt.
Im Januar 2021 kündigte er in einem Blogpost an, sich etwas weiter zurückzuziehen und sich eine Pause zu gönnen.

In der Mitte der oberen Reihe ist Dr. Peter Wuille zu sehen. Der promovierte Informatiker hat in der Vergangenheit mit vielen brillanten Einfällen das Bitcoin-Netzwerk weitergebracht. Unter anderem war SegWit eine Idee von ihm.

Wuille ist außerdem einer der Co-Founder der Firma Blockstream, die Infrastruktur für Bitcoin entwickelt. Mittlerweile hat er das Unternehmen jedoch verlassen und arbeitet für das amerikanische Unternehmen ChaincodeLabs.

Bei Twitter findest du ihn hier: https://twitter.com/pwuille

Dr. Peter Wuille

Bild
Quelle: Twitter

Marco Falke

Quelle: bitcoinedge

Oben rechts ist Marco Falke zu sehen. Über den deutschen ist nur sehr wenig bekannt. Er lebt mittlerweile wohl in New York und arbeitet wie Peter Wuille für ChaincodeLabs. Marco ist sehr auf seine Privatsphäre bedacht weswegen er bisher darauf achtete, dass keine Bilder von ihm veröffentlicht werden. Seit kurzem hat er jedoch ein Bild in seinem Twitterprofil veröffentlicht.

Bei Twitter findet ihr ihn hier:
https://twitter.com/MarcoFalke

Unten links ist Samuel Dobson zu sehen. Der Neuseeländer promoviert im Bereich der Kryptographie. Er ist der jüngste der sechs Core Maintainer

Bei Twitter findet ihr ihn hier: https://twitter.com/meshcollider

Samuel Dobson

Quelle: Twitter

Jonas Schnelli

Der Schweizer Jonas Schnelli hat neben seiner Arbeit als Bitcoin Core-Maintainer und Entwickler auch das Unternehmen "Shift Crypto" gegründet. Shift Crypto ist der Hersteller der Hardwarewallet Bitbox02, welche wir in diesem Zusammenhang gerne jedem empfehlen, der seine Bitcoins sicher aufbewahren möchte.

Mittlerweile hat Jonas das Unternehmen jedoch verlassen, um sich voll und ganz auf die Bitcoin-Entwicklung und seine Aufgaben als Maintainer zu konzentrieren. Wenn ihr mehr über Jonas und allgemein den Job eines Maintainers erfahren möchtet, seht euch gerne das Interview an, das Roman mit ihm geführt hat:

Last but not least: Michael Ford. Der Australier ist seit ca. 2 Jahren im Kreis der Maintainer und hat sich diese Position durch großartige Arbeit in der Vergangenheit verdient. Neben der Bitcoin-Entwicklung interessiert sich Ford sehr für Landwirtschaft und schreibt unter anderem Software für landwirtschaftliche Anwendungen.

Bei Twitter findet ihr ihn hier: https://twitter.com/fanquake

Michael Ford

Michael Ford | BitMEX Blog
Quelle: blog.bitmex.com

Die Macht der Maintainer

Mir ist es an dieser Stelle wichtig zu betonen, dass diese genannten Personen zwar Zugriff auf den Bitcoin Code haben, aber nicht eigenständig Änderungen durchführen könnten. Jonas Schnelli, bezeichnete sich und seine Kollegen in einem Interview mit Roman als "Hausmeister, die für Ordnung in der täglichen Informationsflut" sorgen.

Zwar genießen die Maintainer ein gewisses Ansehen und ein Stück weit natürlich auch Verantwortung, jedoch sind sie ausdrücklich NICHT für Bitcoin per se verantwortlich zu machen. Bitcoin hat keinen Chef. Alles ist öffentlich. Jeder kann mitmachen. Die Mehrheit der Community hat das Sagen. Wir sind alle Satoshi.

Sowohl die Entwicklung als auch das Verwalten von Bitcoin-Code ist im Grunde eine freiwillige Arbeit, für die die Herren nicht bezahlt werden. Zwar gibt es Sponsoren, meist Firmen aus dem Bitcoin-Bereich, die einige Entwickler unterstützen, aber es gibt keine Garantie dafür, für die Arbeit entlohnt zu werden. Diese Menschen opfern demnach freiwillig ihre Zeit, um ein System zu erschaffen, das die Menschheit bzw. unsere Gesellschaft als Ganzes voranbringen kann und wird. Jeder Bitcoiner (und auch die, die es noch werden) sollte diesen Personen dankbar für ihre Arbeit sein. Deswegen ist es umso unverschämter, dass die ARD sie in der gezeigten Art und Weise darstellt.

Es bleibt nur zu hoffen, dass mit Voranschreiten der Adoption, solche schlecht recherchierten Beiträge eher die Ausnahme als die Regel werden.

P.S. Solltest du dich bei einem der Personen mittels einer Spende bedanken wollen, schau gerne mal auf der Seite www.bitcoindevlist.com vorbei. Dort sind einige Bitcoin Maintainer und Entwickler aufgelistet und man kann direkt über die Seite für sie Spenden.